
Abgasreduktion: Fallstricke der CO2-Speicherung
Klimaschutztechnik Norwegen hadert mit dem CO2-Tresor
Karls Anders Hoffs Vorstellung von klimafreundlicher Energieversorgung sieht aus wie ein Zwillingspaar von Weltraumraketen. Und sie brummt wie ein großer Bierkühlschrank. Der blonde Verfahrenstechniker steht im neunten Stock eines Gebäudes unweit der norwegischen Stadt Trondheim, um ihn herum surren emsig die Aggregate. Zwei dicke, silbern verpackte Röhren reichen vom Boden mehr als 20 Meter in die Höhe. In einer von ihnen strömt Kohlendioxid nach oben. In der turmhohen Maschine wird es chemisch gebunden, um es im Anschluss tief unter dem Erdboden versenken zu können.
Stolz zeigt Hoff auf ein gläsernes Guckloch. Man kann darin sehen, wie eine Flüssigkeit in feinen Tropfen herunter rieselt. "Hier sollte das CO2 komplett ausgewaschen sein", sagt der Forscher. Mit Hilfe sogenannter Amine, die im Inneren des Zylinders an einem Geflecht aus Edelstahl herunterlaufen, wird das CO2 aus dem Abgasstrom entfernt. In der anderen Röhre wird es später gesammelt und konzentriert. Die Chemikalien zum Auswaschen laufen in einem Kreislauf zurück. Der Prozess beginnt erneut.
In der Anlage des norwegischen Industrieforschungszentrums Sintef untersuchen Techniker, wie sich Kohlendioxid aus den Abgasen von Kraftwerken und Industrieanlagen herauswaschen lässt. "Wir haben uns um jedes technische Detail selbst gekümmert", sagt Hoff. Unter anderem geht es auch um die Frage, wie sehr das Verfahren den Wirkungsgrad von Kraftwerken verschlechtern würde.
CCS: Kohlendioxid unter die Erde
Eine effektive Abtrennung des CO2 aber ist die Voraussetzung dafür, dass das klimaschädliche Gas unterirdisch eingelagert werden kann. Weggesperrt in einem geologischen Tresor würde es den Treibhauseffekt nicht weiter befeuern. Carbon Capture and Storage, kurz CCS, heißt die Technologie.
Und wer sich für den Einsatz fossiler Brennstoffe auch in der Zukunft stark macht, der muss sich ernsthaft damit auseinandersetzen. In seinem Büro hoch über der Innenstadt von Trondheim zeigt Nils Røkke, bei Sintef zuständig für Klimatechnologien, eine Powerpoint-Folie: 85 Prozent des Welthungers nach Energie, so ist auf der Grafik zu sehen, werden aktuell mit Hilfe fossiler Brennstoffe gestillt. Auf Røkkes Folie ist das eine dicke schwarze Fläche. Wie eine Glasur auf einem Stück Kuchen liegen darüber zwei schmale Areale in gelb und grün: Kernergie, auf die 5 Prozent entfallen, und erneuerbare Energien, die mit 15 Prozent zu Buche schlagen.
"Das Schwarz muss sich in Grün verwandeln", sagt Røkke. Doch bis es soweit ist, so der Techniker, brauche die Welt eben CCS, zumindest bis zum Ende dieses Jahrhunderts. Norwegen, mit Öl und Gas reich geworden, hat allen Grund sich für die Technik stark zu machen. Und in Deutschland setzen zumindest all jene auf das Verfahren, die weiterhin aus Kohle Strom erzeugen wollen. Doch bis heute gibt es kein CCS-Gesetz, weil vor allem im Norden Deutschlands viele Menschen gegen die Einlagerung von CO2 im Boden mobil machen.

CCS-Technologie: Streit über CO2-Speicherung im Untergrund
Im Gegensatz dazu wollte Norwegen eigentlich mit großen Schritten vorangehen. Selbst auf der Arktisinsel Spitzbergen untersuchen Forscher, wie sich das Klimagas wegsperren lässt. Und an der Westküste des Landes, in der Nähe der Ölraffinerie von Mongstad, sollte als Anhängsel eines neuen Gaskraftwerks die weltweit größte CCS-Anlage entstehen.
"Was wir in Mongstad machen wollen, hat woanders noch niemand versucht", sagt Kurt Georgsen vom federführenden Energiekonzern Statoil. Wo andere Staaten mit kleinen Demonstrationsanlagen die Technologie langsam entwickeln, wollten die Norweger gleich richtig ranklotzen - mit einer CO2-Abtrennung im industriellen Maßstab. Man kennt sich damit im Prinzip aus, pumpt man doch schon seit dem Jahr 1996 Kohlendioxid aus der Erdgasproduktion in ein Feld rund 1000 Meter unter dem Boden der Nordsee. Allerdings geht es dabei weniger um Klimaschutz - als um das Einsparen von Steuern.
In einer Rede vor drei Jahren verglich Ministerpräsident Jens Stoltenberg den Aufwand für die großtechnische Kohlendioxid-Abtrennung aus Kraftwerken mit der Mondlandung der Amerikaner in den sechziger Jahre. Die Metapher war tatsächlich passend - bedenkt man, dass Norwegen bis zum Jahr 2050 seine CO2-Emissionen auf null herunterfahren möchte. Der Aufwand ist gigantisch und die Versuchsanlage in Mongstad sollte der erste Schritt sein.
Auf die lange Bank geschoben
Doch einstweilen sieht es so aus, als sei die Mondlandung abgesagt, oder zumindest auf lange Zeit verschoben. Stoltenbergs Regierung hat kleinlaut angekündigt, dass die endgültige Investitionsentscheidung für das riesige CCS-Projekt um Jahre verschoben wird, auf frühestens 2016.
Statoil-Managerin Eli Aamot erklärt, Schuld seien ernsthafte Bedenken "im Hinblick auf potentielle Gesundheits- und Umweltrisiken" durch die Technologie. Offiziell heißt es, das größte Problem seien die Amine, deren Verwendung auch in Trondheim erforscht wird. Die schwach basischen Stickstoffverbindungen sollen eigentlich in einem sogenannten Post-Combustion-Verfahren das CO2 aus dem Rauchgas waschen, ohne dabei selbst die Anlage zu verlassen. Doch glaubt man Statoil, könnte ein Teil der die Amine eben doch mit dem Rauchgas in die Umwelt gelangen.
Einige Aminverbindungen - allen voran Nitramine und Nitrosamine - gelten allerdings als krebserregend. So sorgt ein erhöhter Nitrosamingehalt in Lebensmitteln oder Kosmetikprodukten immer wieder für hitzige Diskussionen. Nun könnten die Chemikalien dafür sorgen, dass Norwegens CCS-Vorzeigeprojekt scheitert.
Über die Krebsgefahr weiß man noch wenig
"Vor allem bei den Nitraminen gibt es noch Unsicherheit", erklärt Forscher Hoff. Diese Verbindungen haben eine längere Lebenszeit als die Nitrosamine. Über die von ihnen verursachte Krebsgefahr weiß die Wissenschaft noch wenig. "Das ist eine Sache, die wir lösen können", glaubt indes sein Chef Røkke. "Wenn wir mehr über die chemischen Reaktionen wissen, dann stellt sich vielleicht heraus, dass es überhaupt kein Problem gibt." Bei den Nitrosaminen sorge zum Beispiel die kurze Lebenszeit von einer Stunde dafür, dass sie sich nirgendswo in der Luft oder an Land sammeln könnten.
Selbst Umweltschützer halten die Probleme für durchaus beherrschbar. Sie argwöhnen, dass Statoil vor allem die Kosten in Milliardenhöhe scheut. Die Herausforderung mit den Aminen sei "so klein und es gibt so viele Wege, das Problem zu kontrollieren", sagt Frederic Hauge von der norwegischen Umweltschutzorganisation Bellona, dass es "ganz sicher keinen Grund gibt, die Pläne herauszuschieben".
Umweltschützer, die sich für die CO2-Abtrennung stark machen - so etwas kennt man in Deutschland nicht. Norwegen, so sagt Hauge aber, verliere mit der Verschiebung des Projektes seine Position beim internationalen Klimaschutz. Man werde der Entwicklung hinterherhinken - "außer es wird eine Entscheidung getroffen, das Programm wieder auf die Gleise zu setzen".
Danach sieht es freilich nicht aus. Nach jetzigem Zeitplan kann die Kohlendioxidabtrennung in Mongstad bestenfalls um das Jahr 2020 in Betrieb gehen. So lange bläst das Kraftwerk weiter kräftigt CO2 in die Luft. "Im schlechtesten Fall könnten die jährlichen Emissionen bei einer Million Tonnen im Jahr liegen", warnt Umweltschützer Hauge.
So lange werden Karls Anders Hoff und seine Kollegen weiterforschen. "Im Prinzip ist die Technologie seit Jahren einsatzbereit", sagt er. Er klingt dabei etwas resigniert.