Kosten des Klimaschutzes Uno-Forscher beklagt Unwissen über erneuerbare Energien

Ottmar Edenhofer: "Alle reden über erneuerbare Energien, keiner kennt die Kosten genau"
Foto: KARIM SAHIB/ AFPAbschätzungen über die Zukunft waren schon immer schwierig. Das wissen auch die Energieexperten im Weltklimarat IPCC. Und so finden sich in ihrem vor wenigen Tagen vorgestellten Bericht über die Zukunft erneuerbarer Energien viele Wenns, Abers und Hinweise auf große Bandbreiten.
Die Energiefachleute haben 164 verschiedene Szenarien untersucht - bestenfalls könnten im Jahr 2050 bis zu 77 Prozent aller Energie weltweit aus regenerativen Quellen stammen. Die Menschheit muss dazu über Jahrzehnte jedes Jahr ein Prozent des weltweiten Bruttosozialproduktes in den Ausbau grüner Technologien stecken. Weil erneuerbare Energien wie die Windkraft schon heute wettbewerbsfähig sind und die Experten mit weiter sinkenden Kosten rechnen, würden sich solche Investitionen sogar immer öfter rechnen, heißt es in dem Report.
Ottmar Edenhofer vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, zugleich einer der vier Hauptautoren des Energiereports, sieht jedoch nach wie vor ein großes Informationsdefizit. "Alle reden über erneuerbare Energien, aber keiner kennt die Kosten genau", sagte er am Montag bei einem Pressegespräch in Berlin. Er sei selbst erstaunt über die schlecht die Faktenlage gewesen.
In dem Bericht haben 120 Forscher versucht, die Kosten erneuerbarer Energien abzuschätzen. Sie wühlten sich durch Studien und Datenbanken, was sie fanden war kaum befriedigend. "Die Daten haben eine große Bandbreite und sind oft nicht kritisch geprüft", berichtete Edenhofer.
Ein Beispiel dafür sei der Bereich Biomasse. Welches Potential Energiepflanzen bis 2050 haben - darüber gingen die Meinungen der beteiligten Wissenschaftler stark auseinander. Die einen halten 50 Exajoules pro Jahr für realistisch - das wäre etwa ein Zehntel des derzeitigen Energieverbrauchs der Menschheit. Andere gehen von 200 Exajoules aus - immerhin viermal mehr als bei der ersten Schätzung.
Unsicherheitsbalken statt eindeutiger Empfehlungen
"Früher haben wir bei derart unterschiedlichen Angaben einfach den Mittelwert genommen", sagte Edenhofer. Diesmal habe man jedoch genauer hingeschaut und die Forscher gebeten, die Gründe für ihre unterschiedlichen Prognosen zu benennen. Im Fall der Biomasse waren es letztlich verschiedene Annahmen darüber, wie sehr sich der Ertrag pro Fläche in der Landwirtschaft in den kommenden Jahrzehnten noch steigern lässt.
Schließlich blieb den IPCC-Forschern nichts anderes übrig, als Zahlen mit Unsicherheitsbalken zu präsentieren, sagte Edenhofer. Politiker, die eindeutige Empfehlungen erwarteten, hätten darauf teils verärgert reagiert.
Eine dünne Faktenbasis hat Edenhofer auch im Bereich der Stromnetze ausgemacht. Deutschland bereitet derzeit einen beschleunigten Ausstieg aus der Atomkraft und einen massiven Ausbau erneuerbarer Energien vor. Dazu muss das Leitungssystem jedoch angepasst werden, weil künftig Strom unter anderem verstärkt aus den Windparks Norddeutschlands kommen soll. "Die Integrationskosten lassen sich aus der Literatur nicht bestimmen, hier besteht ein großer Unsicherheitsfaktor", sagte der Wissenschaftler. "Wer Systeme umstellt, muss mit vielen Überraschungen rechnen."

Beim Ausbau erneuerbarer Energien hat Edenhofer klare Empfehlungen an die deutsche Politik: "Wir müssen vernünftige nationale Ziele festlegen und brauchen eine Institution, die sich jedes Jahr anschaut, ob und warum Ziele erreicht wurden oder nicht."
Der Anteil erneuerbarer Energien wird laut Edenhofer auf jeden Fall weltweit steigen - auch ganz ohne Klimaabkommen oder Subventionen. Die Windkraft sei längst wettbewerbsfähig und in Ländern wie China oder Indien eine interessante Option, um dem stark wachsenden Strombedarf zu genügen.
Das Weltklima werde sich so jedoch nicht retten lassen. "Für die Reduktion von CO2-Emissionen brauchen wir ein internationales Abkommen", sagte Edenhofer. Ohne einen solchen Vertrag würde die Verbrennung von Kohle weiter zunehmen, sie sei einfach zu billig und weltweit verfügbar.
An einen Erfolg der nächsten Klimakonferenz im südafrikanischen Durban glaubt der Potsdamer Forscher kaum. "Ich habe den Eindruck, dass ein Kyoto-Nachfolger dort beerdigt wird. Ich glaube aber, dass ein globales Klimaabkommen gute Chancen hat." 2014 werde es eine neue Dynamik in der Klimadebatte geben, wenn der nächste IPCC-Bericht vorgestellt werde. Dann hält Edenhofer auch weltweite Verpflichtungen zur CO2-Reduktion für möglich.