Kuba US-Diplomaten könnten mit Mikrowellenwaffen attackiert worden sein

Erst hörten sie Geräusche, dann folgten Schwindel und Gedächtnisstörungen: Nach den rätselhaften Angriffen auf US-Diplomaten in Havanna vermuten Ärzte nun Mikrowellenwaffen als Ursache für die Beschwerden.
US-Botschaft auf Kuba

US-Botschaft auf Kuba

Foto: Alexandre Meneghini/ REUTERS

Die Attacke erwischte den US-Diplomaten in einem Hotelzimmer in Havanna: Ein dröhnendes Geräusch hatte ihn aus dem Schlaf gerissen. Kurz darauf hörte er überhaupt nichts mehr, auch das Sprechen fiel ihm schwer. In den kommenden Monaten klagten 20 weitere Mitarbeiter der US-Botschaft in Kuba und ihre Familienmitglieder über ähnliche Beschwerden. Der erste Vorfall ereignete sich Ende Dezember 2016, der bislang letzte bekannte im August 2017.

Seither rätseln Ärzte und Wissenschaftler über die plötzlich auftretenden neurologischen Symptome. Ihre neueste Theorie: Mikrowellenwaffen könnten die Beschwerden verursacht haben. "Zum Anfang waren wir skeptisch, aber nun sind wir uns sicher, dass da etwas dran sein muss", sagte Douglas H. Smith der "New York Times" . Er hatte gemeinsam mit anderen Ärzten und Wissenschaftlern die 21 Betroffenen untersucht.

Wie genau diese Waffen aussehen und wer sie eingesetzt haben könnte, ist bisher unklar. Die USA verfügen beispielsweise über das "Active Denial System" (ADS), das über eine flache Antenne gebündelte Mikrowellen aussendet. Menschen, die von den Strahlen getroffen werden, erleiden brennende Schmerzen, weil die hohe Strahlungsenergie die Wassermoleküle in der Haut innerhalb von Sekunden auf 55 Grad Celsius erhitzt.

Mit einer Haushaltsmikrowelle hat das nichts zu tun

Da die Strahlung jedoch nur wenige Millimeter in die Haut eindringt, gibt es laut den Entwicklern keine Langzeitschäden. Mit einer im Haushalt genutzten Mikrowelle ist die Waffe nicht zu vergleichen, denn das ADS arbeitet mit einer Frequenz von 95 Gigahertz, Mikrowellen aus der Küche dagegen nur mit 2,45 Gigahertz. Mikrowellen umfassen den Frequenzbereich zwischen 0,3 und 300 Gigahertz.

Die Beschwerden der US-Diplomaten stimmen jedoch nicht komplett mit den Auswirkungen überein, die von ADS bekannt sind. So berichteten 18 der insgesamt 21 betroffenen US-Regierungsangestellten, dass sie unmittelbar vor Beginn der Beschwerden ein unbekanntes lautes Geräusch gehört hatten, dass viele als hoch, andere als tief beschrieben - als durchdringendes Quietschen, Summen oder Brummen.

"Geräusche lösen keine Hirnverletzungen aus"

Das Geräusch selbst ist laut den Ärzten jedoch nicht die Ursache für die Symptome. "Wir denken, das hörbare Geräusch war eine Konsequenz der Exposition, denn hörbare Geräusche lösen nach allem, was man weiß, keine Hirnverletzungen aus", erklärte ein Mediziner in einem Bericht, der im Februar vorgelegt wurde. Hinweise auf einen Virus oder eine chemische Attacke fanden die Wissenschaftler nicht.

Zunächst war auch spekuliert worden, bisher unbekannte Schallwaffen könnten die Verletzungen verursacht haben. Allerdings lösen diese andere Symptome aus, die verschwinden, sobald der Infraschall nachlässt. Zudem bräuchte es riesige Gerätschaften, die wohl nur schwer zu verbergen wären. Mehr dazu, wie Schallwaffen funktionieren, lesen Sie hier.

Auch wenn die Wirkung bekannter Mikrowellenwaffen nicht so recht zu den Beschwerden der US-Diplomaten passt, sind sich mehrere Forscher sicher, eine Attacke mit Mikrowellen liefere die bisher plausibelste Erklärung. Sie berufen sich beispielsweise auf den Frey Effekt, benannt nach Allan H. Frey. Der US-Wissenschaftler hatte bereits in den Sechzigerjahren gezeigt, dass Menschen Mikrowellen unter bestimmten Umständen als Geräusch wahrnehmen können.

Das passt zu den Lauten, die die Betroffenen beschrieben, die selbst dann nicht leiser wurden, als sie sich die Ohren zuhielten. Zudem könnten die Mikrowellen etwa durch Hitze Schäden im Gehirn verursacht haben, die mit einer Gehirnerschütterung vergleichbar sind. Im Nachhinein sei es jedoch extrem schwierig, genau zu bestimmen, wie die Verletzungen entstanden, betont der Arzt Smith. US-Behörden wollten sich zum Stand der Untersuchungen bislang nicht äußern.

koe
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