
Öldämpfe, Bremsblockade und Co.: Luxusflieger mit Startproblemen
Lufthansa Öldämpfe treten am häufigsten im A380 auf
Hamburg - Einen "Dauerbrenner" nennt Lufthansa selbst das Thema "ungewöhnliche Gerüche" an Bord im internen "Passage"-Magazin. Etwa 660.000 Flüge absolvierte die größte deutsche Fluglinie 2012 - um die 2000 Meldungen von Crews wegen Gerüchen gingen zuletzt ein. "Dazu gehören Gerüche von Essens- oder Kleberesten in Öfen, Gewitter, ionisierte Luft, Vogelschläge oder Enteisungsflüssigkeit und noch viele andere Ursachen", sagt Chefpilot Werner Knorr in einem "Passage"-Interview.
Gemeldete Fälle von Öldämpfen habe es demnach "lediglich" 111 gegeben. Ein Großteil der Zwischenfälle betreffe die A380-Flotte, der leichte Ölgeruch stelle sich "für ein bis zwei Minuten, überwiegend 10 bis 15 Minuten nach dem Start" ein. Man nehme das Thema "sehr ernst", allerdings solle man "auch keine unnötige Angst schüren".
Das fällt schwer, angesichts der Sicherheitsmaßnahmen der Crews in einem solchen Fall: So werden präventiv Sauerstoffmasken beziehungsweise Rauchschutzhauben aufgesetzt, um im Falle des Falles die Handlungsfähigkeit der Besatzung zu erhalten.
Smoke-and-Smell-Reports als Medienphänomen
Knorr will ein Phänomen bei den Meldungen ausgemacht haben: "Wann immer die Medien intensiv über das Thema berichten, steigt auch bei uns die Anzahl der Smoke-and-Smell-Reports mit Verdacht auf Öldämpfe an. So gab es im vergangenen November 13 Schilderungen zum Thema Öl, von denen sich bei den meisten keinerlei Ursache feststellen ließ."
Im September vergangenen Jahres gab es Medienberichte zum Zwischenfall mit einem Airbus der Lufthansa-Billigtochter Germanwings, bei dem zwei Jahre zuvor Dämpfe in der Kabine aufgetreten waren.
Zuletzt wurde der Fall eines Condor-Fluges von Hamburg nach Gran Canaria bekannt. Auch dort lag ein übler Ölgeruch in der Kabine, hier bei einer Boeing 757-300. Condor teilt auf SPIEGEL-Anfrage mit, dass im Jahr 2012 bei den 20.500 Flügen der Boeing-Flotte 76 Geruchsentwicklungen von den Crews gemeldet wurden. In 22 dieser Fälle sei ein Geruch von Öl wahrgenommen worden. 2013 (bisher wurden 3.500 Flüge abgewickelt) habe es bislang 13 sogenannte Smoke-and-Smell-Reports gegeben - auch der Flug DE5944 von Hamburg nach Gran Canaria sowie der Flug ohne Passagiere von dort zurück seien darunter. Bei 2 der 13 Berichte sei es um Ölgerüche gegangen.
Die in Deutschland für Emirates zuständige PR-Agentur wollte auf Anfragen nicht antworten. Die Fluglinie aus Dubai betreibt eine der größten A380-Flotten weltweit. Die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft, Air Berlin, wollte ebenfalls keine Angaben machen, wie oft Besatzungen Gerüche an Bord meldeten.
Messkoffer auf Flügen nach Singapur
Lufthansa geht das Thema sowohl technisch als auch medizinisch an. Auf die Frage, ob Öldämpfe gefährlich für Passagiere und die Crew sein könnten, antwortete im "Passage"-Magazin Jürgen Graf, Leiter des Medizinischen Dienstes der Lufthansa in Frankfurt: "Die Dosis macht das Gift. Öldämpfe können Substanzen enthalten, die ab einer gewissen Konzentration toxisch sind, wie etwa TCP" (Trikresylphosphat). Man habe im Rahmen einer Studie die Daten von mehr als 26.000 Lufthansa-Crewmitgliedern nachverfolgt: Es sei "keine Häufung von Erkrankungen oder eine kürzere Lebenserwartung im Vergleich zur Normalbevölkerung" zu beobachten gewesen. Man bemühe sich auch um die Entwicklung eines Messkoffers für den Bordgebrauch, eine zuverlässige Messung der flüchtigen Substanzen in einer Flugzeugkabine sei jedoch "extrem schwierig". Ein Messkoffer soll im Cockpit der A380 auf Flügen von und nach Singapur mitgeführt werden - gerade auf dieser Strecke häuften sich zuletzt Meldungen über Ölgeruch. Chefpilot Knorr glaubt, dass dies mit den klimatischen Bedingungen zusammenhängen könnte, durch die die Triebwerke stärker belastet würden.
Das Problem betrifft die ganze Airline-Industrie; in einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage im Bundestag wird auf eine frühere Aussage verwiesen, die unverändert gelte: unterschiedliche Luftfahrtunternehmen und unterschiedliche Flugzeugmuster seien betroffen. Lufthansa hat sogar ein "Cabin Air Quality Review Board" gegründet, mit dem man "intensiv das Thema Kabinenluft" diskutiere. Chefpilot Knorr sagt im "Passage"-Magazin, dass man langfristig eine Trennung des Ölkreislaufs vom Luftkreislauf erreichen müsse, wie sie etwa die Boeing 787 schon habe. Das sei jedoch ein langer Weg. Flugzeuge heutiger Bauart würden noch 20 bis 25 Jahre fliegen.
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