3D-Puzzle Wie die Ermittler MH17 wieder zusammensetzten
Flug MH17 wurde von einer Boden-Luft-Rakete russischer Bauart getroffen - zu diesem Ergebnis sind die niederländischen Ermittler gekommen. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, haben sie das Unglücksflugzeuge Stück für Stück aus Wrackteilen wieder zusammengebaut.
Warum diese Methode? Was brachten solche Rekonstruktionen in der Vergangenheit? Antworten auf die zentralen Fragen:
Warum sind die Trümmerteile von MH17 vergleichsweise gut erhalten?
Die Boeing 777 von Malaysia Airlines wurde in großer Höhe von einer Raketenexplosion getroffen und auseinandergerissen. Die Trümmer sind dann zur Erde gestürzt. "Je nach Form und Gewicht der Flugzeugteile segeln diese zu Boden ähnlich wie ein Blatt", erklärt der Braunschweiger Flugunfall-Gutachter Lothar Müller. Die Geschwindigkeit, mit der die Trümmer auf dem Boden aufschlugen, sei deshalb auch nicht so hoch gewesen. Beim Germanwings-Absturz am 24. März 2015 in den französischen Alpen war das anders: Das Flugzeug zerschellte mit über 600 km/h an einem Felsen. "Es wurde regelrecht pulverisiert", sagt Müller. Ein modernes Flugzeug bestehe überwiegend aus Aluminium und Kunststoffen, bei einer so hohen Aufprallenergie blieben nur kleine Bruchstücke übrig.
Video: Animation des Beschusses von MH17
Warum bauen Ermittler aus Trümmern das abgestürzte Flugzeug zusammen?
Solche Rekonstruktionen hat es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gegeben, etwa beim TWA-Flug 800, der am 17. Juli 1996 vor Long Island in den Atlantik stürzte. Das Zusammenfügen der Teile hat Ermittlern mehrfach geholfen, die Unfallabläufe zu verstehen. Beispiel Lockerbie: Am 21. Dezember 1988 war eine Boeing 747 von PanAm über der Stadt in Schottland explodiert, 270 Menschen starben. Im rekonstruierten Rumpf entdeckten Ermittler ein Loch, das durch die Explosion einer Bombe im vorderen Laderaum entstanden war. Schließlich führte die Untersuchung von Kofferteilen zum Verantwortlichen für den Anschlag, einem lybischen Geheimdienstmitarbeiter. Beim Flug TWA-800 wurde schließlich die Explosion eines Tanks zur Unglücksursache erklärt.

MH17: Flugzeugrekonstruktion aus Trümmern
Auf welchen Quellen, Untersuchungen und sonstigen Informationen fußt der Abschlussbericht der MH17-Ermittler?
Aus den Löchern und Abprallern am Cockpit ließ sich die Bahn der Geschosssplitter rekonstruieren. Da eine intensive Untersuchung der Unglücksstelle nicht möglich war, nutzten die Ermittler Fotos sowie Satellitenaufnahmen, um die Verteilung der Trümmer festzustellen. Die Black Boxes, die die Flugdaten sowie eine Tonaufnahme aus dem Cockpit sichern, lieferten Hinweise auf den Zeitpunkt des Unglücks sowie auf Geräusche vor dem Unglück. Ausgewertet wurden zudem Radar-Informationen, Wetterberichte, Funksprüche und Augenzeugenberichte. Die Untersuchung der Opfer lieferte nicht nur Hinweise auf ihre letzten Minuten, sondern auch auf die Unglücksursache. Die Personen im Cockpit hatten Metallsplitter in ihrem Körper, die nicht vom Flugzeug, sondern vom Sprengkopf der Buk-Rakete stammten.
Warum werden Abstürze mit einem so großen Aufwand untersucht?
Ein Flugzeugunglück hat oft viele Todesopfer - die Angehörigen verlangen Aufklärung. Ein wichtiges Ziel der Ermittlungen ist, die Sicherheit der Luftfahrt zu verbessern. Sind eventuell bislang nicht bekannte konstruktive Mängel Schuld? Oder Fehler in der Software oder bei der Wartung? Wenn man Ursachen identifiziert, kann man vielleicht weitere Abstürze verhindern. Für Airlines, Flugzeughersteller und Versicherungen geht es zudem um viel Geld.
Was machen Flugunfallermittler genau?
Sie begeben sich so schnell wie möglich zur Unglücksstelle, um Spuren und Beweismittel zu sichern. Bereits die Verteilung und der Zustand der Trümmerteile erlaubt Rückschlüsse auf den Ablauf eines Absturzes. Die eigentliche Arbeit findet jedoch später im Labor statt. "Wir nehmen alle Trümmerteile mit, weil wir sie vor Ort nicht so gut untersuchen können", sagt der Gutachter Lothar Müller. Nur im Labor seien zum Beispiel Materialprüfungen mit einem Mikroskop möglich.
Wer ist für die Aufklärung eines Unfalls zuständig?
Die Aufklärung eines Unfalles regelt Anhang 13 aus dem Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt, auch Chicagoer Abkommen genannt. Laut diesem ist bei einem Flugunfall das Land für die Aufklärung zuständig, in dessen Hoheitsgebiet sich der Unfall ereignete. Der Staat, in dem das Flugzeug eingetragen ist, darf Beobachter stellen. Im Fall von MH17 einigten sich die Behörden darauf, dass die Niederlande die Ermittlungen leiten. Hätte die Ukraine die Aufklärung übernommen, wären Zweifel an der Unabhängigkeit der Ermittlungen möglich gewesen. Schließlich stand auch die ukrainische Armee unter Verdacht, am Absturz beteiligt gewesen zu sein.