Abrieb von Autoreifen Mikroplastik weht um die Welt

Kleine Plastikpartikel fanden Forscher schon in den entlegensten Regionen der Erde. Eine Studie zeigt nun, wie Reifenabrieb von Straßen um die Welt fliegt. Winde tragen ihn sogar bis in die Arktis.
Autoreifen-Haufen: vier Kilogramm Material pro Reifen abgefahren

Autoreifen-Haufen: vier Kilogramm Material pro Reifen abgefahren

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Paul Giamou/ Aurora Photos/ imago images

Plastikmüll ist für die Meere schon lange ein Problem. In den letzten Jahren haben Forscher den Kunststoff und seine Folgen für die Umwelt genauer untersucht. Dabei entdeckten sie winzige Partikel, die in Flüssen, Seen und Meeren massenhaft vorkommen. Wo auch immer sie nach solchem Mikroplastik suchten, fanden sie es auch. Selbst auf weit entfernten Inseln oder im Eis der Arktis. Zwar weiß man immer noch wenig über die Folgen für die Ökosysteme. Aber sicher ist, dass Mikroplastik über Fische auch in die Nahrungskette des Menschen gelangt.

Ein wesentlicher Faktor, der für den Eintrag von Mikroplastik in die Meere sorgt, ist der Abrieb von Autoreifen auf den Straßen. Regnet es, löst das Wasser die Partikel vom Asphalt und spült sie in die Kanalisation und Gewässer. Aber noch ein weiterer Faktor spielt eine Rolle: Bremsstaub und Reifenabrieb werden auch über den Wind in die Umwelt geblasen. Welche Mechanismen dabei eine Rolle spielen, haben Forscher um Andreas Stohl vom Norwegian Institute for Air Research (NILU) und der Universität Wien nun in einer Studie  untersucht.

Laut Stohl werden von einem durchschnittlichen Autoreifen im Laufe seiner Nutzungsdauer ungefähr vier Kilogramm Material abgefahren. So sammeln sich enorme Mengen Gummi, Plastik und Chemikalien auf den Straßen der Erde. Während sich die größeren Partikel hauptsächlich lokal absetzen, überwinden die kleinen Teilchen weite Distanzen in der Atmosphäre.

Von solchen Partikeln, die kleiner als 0,01 Millimeter sind, bläst der Wind jährlich 140.000 Tonnen in die Ozeane. Ungefähr 48.000 Tonnen landen jedes Jahr auf Schnee- und Eisflächen. "Speziell der Transport in die Arktis ist bedenklich, weil dort das Ökosystem sehr empfindlich ist und ohnehin bereits durch Klimawandel und andere Gifte belastet wird", so Stohl in einer Mitteilung der Universität Wien.  Dort können die Mikropartikel sogar den Schmelzprozess beschleunigen, da sie die weißen Flächen dunkler färben, diese dadurch mehr Sonnenlicht absorbieren und so die Temperatur erhöhen.

Laut den Forschern seien solche winzigen Teilchen in Untersuchungen bisher vernachlässigt worden, zudem sei der Mikroplastik-Eintrag durch Flüsse wesentlich besser untersucht. "Der Transport in der Atmosphäre ist jedoch ähnlich wichtig - vielleicht sogar noch wichtiger", so Stohl. Schließlich können die Teilchen einen wesentlichen Effekt auf die Gesundheit haben, da der Mensch sie einatmet und sie möglicherweise in die Blutgefäße gelangen.

Die Studie birgt allerdings noch Unsicherheiten. Es handelt sich bei den Mengen um Hochrechnungen, die auf Daten aus früheren Studien zu Emissionen von Reifenpartikeln und Bremsstaub basieren. Auch die Verteilung dieser Partikel in der Atmosphäre sind keine Messwerte, sondern Rechnungen aufgrund von etablierten Zirkulationsmodellen der Atmosphäre. Unklar bleibt beispielsweise, wie stark der Transport in der Luft durch Regen beeinträchtigt wird.

Zwölf Millionen Tonnen Plastikmüll

Unabhängige Kollegen loben die Arbeit der Forscher dennoch. Die Studie zeige, wie stark abgelegene Regionen der Erde letztlich mit dem verbunden sind, was auf den Straßen unserer Städte passiert, so Erik van Sebille von der Universität Utrecht in den Niederlanden in einem Bericht des "Guardian".  

In den Meeren schwimmen laut Schätzungen bis zu zwölf Millionen Tonnen Plastikmüll. Ein Teil dieses langsam abbaubaren Abfalls zersetzt sich in immer kleinere Teile. Diese schwimmen dann weiterhin für Jahrhunderte im Wasser oder setzen sich auf dem Meeresboden ab. Als Mikroplastik werden Plastikpartikel bezeichnet, die fünf Millimeter und kleiner sind. Ungefähr 1,5 Millionen Tonnen Mikroplastik geraten laut Schätzungen der Weltnaturschutzunion (IUCN) jedes Jahr ins Meer.

joe

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