Wellenbewegung Mini-Roboter schwimmt mit Herzzellen als Antrieb
In der Evolution ist der Antrieb mit sogenannten Flagellen oder Geißeln ein alter Hut: Seit Millionen Jahren nutzen einfache Organismen die haarähnlichen Schwänze, um sich in Flüssigkeiten fortzubewegen. Ingenieuren in den USA gelang es aber erst jetzt, das einfache Antriebsprinzip auf sogenannte Biobots zu übertragen. Sie bauten dafür aus einem Kunststoff einen Roboter mit einem Kopf und befestigten daran eine synthetische Flagelle.
Um den Schwanz ihrer Konstruktion, die einem Spermium ähnelt, in Bewegung zu versetzen, siedelten sie einige Herzmuskelzellen von Ratten an der Oberfläche an. Unter den richtigen Umgebungsbedingungen begann der Bio-Roboter dann, in einer Petri-Schale zu schwimmen. Ihre Ergebnisse präsentierten die Forscher um Taher Saif von der University of Illinois in Urbana-Champaign in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Nature Communications" .
"Es ist die minimale Menge an Technik - nur ein Kopf und ein Faden," beschreibt Saif die Arbeit seiner Forschungsgruppe. "Dann kommen Zellen dazu und interagieren mit der Struktur und bringen sie zum Funktionieren."
Vorwärtsbewegung durch zusammenziehende Herzzellen
Damit sich die Zellen allerdings überhaupt erst auf dem Kunststoff wohlfühlten, mussten die Wissenschaftler ihn in mehreren Schritten behandeln. Sie tränkten ihn unter anderem in einem Eiweiß, das es den Zellen ermöglicht, sich in kleinen Gruppen an vorbestimmten Punkten festzusetzen. Geschickt an der Verbindungsstelle von Kopf und Geißel platziert, verursachten die Herzzellen durch rhythmisches Zusammenziehen eine Vorwärtsbewegung der ganzen Konstruktion. Eine koordinierte Wellenbewegung der Flagelle durch die Zellen war dafür entscheidend, so die Wissenschaftler. Wie die Herzmuskelzellen sich untereinander organisieren und kommunizieren, um im selben Moment zu kontrahieren, haben die Forscher allerdings noch nicht klären können.
Die Tests der Biobots fanden in einer Nährlösung statt, die als Energielieferant für die Zellen diente. Sie enthielt unter anderem Salze, eine spezielle Form von Glukose und diverse Vitamine, um die Herzzellen am Leben zu erhalten. Saif und seine Kollegen schätzen, dass die Zellen der Biobots etwa drei Tage in dem Medium überleben könnten. Die Micro-Roboter wären also innerhalb dieses Zeitraums mobil.
Sensoren und Steuereinheit könnten Micro-Roboter lenken
Der "biohybride Schwimmer", wie ihn die Ingenieure auch nennen, hat mit der Flagelle eine Gesamtlänge von rund zwei Millimetern und ist damit rund 40-mal so groß wie ein menschliches Spermium. Er erreicht eine Geschwindigkeit von bis zu zehn Mikrometern pro Sekunde. Eine weitere von den Forschern entwickelte Variante mit zwei Flagellen schaffte sogar rund 80 Mikrometer pro Sekunde. Die Konstruktion mit der Doppelflagelle hätte zudem den Vorteil, dass sie sich womöglich zukünftig in verschiedene Richtungen steuern ließ, schreiben die Wissenschaftler.
Noch sind die Biobots allerdings blind und dumm, da sie weder Sensoren noch Steuereinheit enthalten. In den kommenden Schritten könnten sie allerdings mit Messvorrichtungen im Kopf ausgestattet werden, die sie sogar lenken könnten, spekulieren die Ingenieure. Damit wären sie beispielsweise in der Lage, auf Licht, Botenstoffe oder gar Schadstoffe und Umweltgifte in der Natur zu reagieren und diese gezielt anzusteuern. In seiner Zukunftsvision sieht Saif daher für die Entwicklung einen Platz in der Medizin. Die Biobots wären womöglich eines Tages als "smarte Strukturen" für den Transport von Medikamenten, minimalinvasive Eingriffe oder zur Krebsbekämpfung einsetzbar.
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