

London - Bei vielen Verbrauchern hat sogenanntes Klebefleisch keinen guten Ruf. Es ist normalerweise gesundheitlich vollkommen unbedenklich - doch die Vorstellung, aus mehreren zahlreichen Stücken zusammengesetztes Fleisch zu verspeisen, passt längst nicht jedem. Ab Herbst kommenden Jahres müssen solche Produkte laut EU-Recht mit dem Hinweis "Aus Fleischstücken zusammengefügt" gekennzeichnet werden.
Bisher werden Enzyme eingesetzt, um das Fleisch zu verkleben. Nun haben französische Forscher einen neuen Klebstoff für Gele und biologische Gewebe entwickelt. Der - bei manchen wohl ebenfalls nicht unumstrittene - Trick dabei: Die Haftkraft entsteht durch feinsten Quarzsand in Korngrößen von 5 bis 50 Nanometern, also Millionstel Millimetern.
Bei zwei zusammengeklebten Stücken Kalbsleber sei die Verbindung auch beim Ziehen und Verdrehen bestehen geblieben, berichten Forscher um Ludwik Leibler von der École Supérieure de Physique et de Chimie Industrielles in Paris im Fachmagazin "Nature".
"Kleben mit Nanopartikeln mag paradox erscheinen, weil Pulver mit mikrometergroßen Partikeln wie Talkum ein Standardmittel ist, um das Zusammenkleben von Stoffen zu verhindern", schreiben die Wissenschaftler. Entscheidend sei, dass die Partikelgröße vergleichbar mit der Maschengröße der verwobenen langkettigen Moleküle in den zu verklebenden Stoffen sei. Dann würden die Quarz-Nanopartikel zu sehr haftstarken Bindegliedern.
Zusammendrücken mit zwei Fingern genügt
Klebstoffe bestehen meist selbst aus Polymeren. Wenn aber Polymere wie in Gelatine und ähnlichen gelartigen Stoffen verbunden werden sollen, kann es schwierig werden: Viele Klebstoffe benötigen hohe Temperaturen, ein elektrisches Feld oder eine chemische Reaktion, um ihre Haftkraft zu entwickeln. Dadurch können aber die zu verklebenden Stoffe selbst verändert werden. Der Klebstoff von Ludwik Leibler und seinen Kollegen hat den Vorteil, dass er bei Zimmertemperatur funktioniert und die Oberflächen der vereinigten Stoffe nicht verändert.
Um eine große Haftkraft zu erreichen, genügt es, den neuen Klebstoff in winzigen Mengen als Lösung aufzutragen. Ein Zusammendrücken mit zwei Fingern für wenige Sekunden bewirkt eine starke Verbindung. Bei einem Belastungstest riss ein Gel an verschiedenen Stellen, aber nicht an der geklebten. Das Forscherteam erklärt die Haftkraft damit, dass sich beim Ziehen an den verbundenen Stoffen zwar einzelne Polymerstränge vom Nanopartikel lösen, sich an die freie Stelle aber sofort wieder andere Stränge heften.
Selbst wenn sich die geklebten Stoffe unter starker Zugbelastung voneinander lösen, genügt ein Zusammendrücken mit zwei Fingern, um sie wieder zu verbinden. Mit Hilfe dieser Eigenschaft könnten sich selbst reparierende Materialien entwickelt werden, schreiben die Forscher.
Die Wissenschaftler sehen Anwendungsgebiete für ihren Klebstoff auch in der Medizin: So könnte er bei der Züchtung organischer Gewebe oder in der Chirurgie zum Einsatz kommen. Zusammengeklebte Gewebestücke blieben elastisch und durchlässig für Stofftransporte. Außerdem sei der Klebstoff wirksam geblieben, wenn die verbundenen Stoffe Wasser aufnahmen - und dadurch fünfmal so groß wie ursprünglich wurden.
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Neuentwicklung im Test: Französische Forscher haben einen neuen Superklebstoff erdacht. Die Haftkraft entsteht durch feinsten Quarzsand in Korngrößen von 5 bis 50 Nanometern, also Millionstel Millimetern.
Leber-Kleber: Bei zwei zusammengeklebten Stücken Kalbsleber sei die Verbindung auch beim Ziehen und Verdrehen bestehen geblieben, berichten die Forscher.
Entscheidender Unterschied: Zunächst kleben Gelstücke zwar am Handschuh, aber nicht untereinander (l.), nach Zugabe des neuen Klebers haften sie dann aneinander (r.).