Unsichtbarer Vorhang Schlaues Nanoglas soll Energie sparen

Häuser kühl halten, Räume abdunkeln, den Energieverbrauch senken: Ein unsichtbarer Vorhang aus Nanokristallen in Glasscheiben kann auf Knopfdruck Strahlung blockieren. Bis der Wunderstoff in Fenstern verbaut werden kann, müssen Forscher aber noch viele Probleme lösen.
Sicht durch schaltbares Glas: Infrarotes Licht blockieren

Sicht durch schaltbares Glas: Infrarotes Licht blockieren

Foto: Anna Llordés / Lawrence Berkeley National Lab

Hamburg - Räume kühl und gleichzeitig hell zu halten, kostet doppelt Energie: Um im Sommer das Aufheizen von Zimmern zu verhindern und Klimaanlagen zu schonen, müssen Fenster mit Rollos oder Vorhängen abgedunkelt werden. Sind die Räume allerdings dunkel, kommt oft künstliches Licht ins Spiel, um noch in ihnen arbeiten zu können. Und Lichtquellen benötigen wieder Strom.

Eine mögliche Lösung, wie sich große Energiemengen einsparen ließen, haben amerikanische Materialwissenschaftler gefunden. Wie Forscher um die Chemikerin Anna Llordés vom Lawrence Berkeley National Laboratory im Fachmagazin "Nature" zeigten , kann ein mit Nanokristallen behandeltes Glas mit einer neuen Methode drei beliebig wechselbare Schaltzustände annehmen.

Der erste lässt den Großteil des Lichtes durch. Im zweiten Zustand wird nur die Infrarotstrahlung blockiert, das sichtbare Licht wird nicht behindert. Wärme bleibt draußen, Klimaanlagen müssten weniger arbeiten. In der dritten Einstellung wird auch das sichtbare Licht blockiert - und Räume blieben nicht nur kühl, sondern werden zudem dunkel.

Die Scheiben lassen sich durch stromempfindliche Metalloxide abdunkeln, dafür muss lediglich die angelegte Spannung verändert werden. Andere Teile des Lichtspektrums lässt das Glas gleich außen vor. "Unsere Kristalle blockieren auch UV-Licht in allen Schaltzuständen", sagt Studienleiterin und Chemikerin Delia Milliron.

Für das neuartige Material mischten die Wissenschaftler Nanokristalle aus einem mit Zinn versetzten Indiumoxid (ITO) und Oxide des Metalls Niob. "Die Kristalle und Verbindungen haben wir in einer wässrigen Lösung kombiniert. Die brachten wir auf Glas auf, das mit einer leitenden Schicht versehen ist", erklärt Milliron den Herstellungsprozess. "Anschließend erhitzten wir es. Dabei veränderten und gruppierten sich die Kristalle und Niobverbindungen."

Unklare Energiebilanz

Überraschenderweise sind die Eigenschaften des Glases mit den kombinierten Materialien sogar besser, als die Leistungen der verwendeten Stoffe erwarten ließ. Die Wissenschaftler führen das auf die Nanostrukturen zurück und den verbesserten Ladungsaustauch in dem Materialmix. So stellte sich in den Versuchen heraus, dass die Nioboxide im Verbundmaterial etwa fünfmal so gut abdunkelten, wie bei der Einzelanwendung.

Mit der noch am Anfang stehenden Entwicklung ließen sich künftig die Licht- und Wärmeverhältnisse in Gebäuden getrennt voneinander steuern. Smarte Fenster wären denkbar, die je nach Einstellung ihre Transparenz ändern. Heiz-, Beleuchtungs- oder auch Kühlenergie ließe sich sparen.

Bis allerdings das Glas in Fenstern verbaut werden kann, müssen die Forscher viele Probleme lösen. Sie benutzen derzeit Elektroden aus Lithium, einem leicht brennbaren und reaktiven Metall, das aus Sicherheitsgründen ersetzt werden müsste. Auch muss sich zeigen, dass die Glaseigenschaften über einen langen Zeitraum stabil sind. Bisher bewies das Material sich erst in rund 2.000 Schaltvorgängen in den Versuchen als sehr zuverlässig.

Zudem ist noch unklar, wie die Energiebilanz der Produktion aussieht. Die Fenster sind aufwendiger herzustellen als gewöhnliche, jedoch müssen die zusätzlichen Kosten von den Energieeinsparungen aufgewogen werden, damit sich ihr Einsatz lohnt. "Idealerweise sollten die Fenster auch keine ständige Stromzufuhr benötigen, um transparent oder lichtundurchlässig zu bleiben", schreibt Nanoforscher Brian Korgel in einer Bewertung in "Nature". Das ist aber noch zu klären.

"Es ist zu früh, um die Anwendbarkeit abzuschätzen. Viel Entwicklung ist noch nötig, um die Leistung zu steigern, aber auch Prototypen zu bauen und unseren Fertigungsprozess hochzuskalieren", erklärt Delia Milliron. Bis dahin bleibt das Zuziehen der Vorhänge der effektivste Weg, das Büro vor der Sommersonne zu schützen.

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