Netzausbau Gigabatterien sollen Stromnetz entlasten

Tesla-Powerpack (Archivbild)
Foto: Liam West / Lightly SaltedMit Rekordinvestitionen in Batteriespeicher will die Energiewirtschaft eine neue Lösung für den dringend nötigen Ausbau von Stromtrassen testen. Bis 2025 sollen in Süddeutschland nach Plänen der großen Leitungsbetreiber drei sogenannte Netzbooster errichtet werden. Die größte Anlage soll im baden-württembergischen Kupferzell entstehen. Mit 500 Megawatt wäre sie fünfmal so leistungsstark wie der Batteriepark von Tesla nahe der australischen Stadt Adelaide, der bei seiner Eröffnung 2017 als größter der Welt galt.
Ein ähnlich riesiges Projekt wie in Kupferzell im schwäbisch-fränkischen Grenzgebiet war bislang lediglich in der Region zwischen dem Silicon Valley und der kalifornischen Gemeinde Moss Landing geplant. Der Versorger PG&E wollte dort mit mehreren Partnern bis Ende 2020 ein komplettes Gaskraftwerk durch Lithium-Akkus ersetzen. Ende Januar hat PG&E allerdings Insolvenz angemeldet, die Zukunft des Projektes ist daher derzeit unklar.
Riesenbatterie mit 900 Megawatt Leistung zum Preis von einer Milliarde Euro
Die beiden anderen deutschen Großspeicher sollen in Ottenhofen östlich von München sowie in Ludwigsburg gebaut werden. Die Kosten für die Batterien mit insgesamt 900 Megawatt schätzen Brancheninsider auf etwa eine Milliarde Euro. Rechtfertigen soll die Megainvestition die mögliche Lösung eines Konflikts, der sich in den vergangenen Jahren immer weiter zugespitzt hat.
Mit der Energiewende muss vor allem Windstrom aus dem Norden Deutschlands in die industriellen Zentren im Süden und in Nordrhein-Westfalen transportiert werden. Seit 2009 wurden deshalb 7700 Kilometer an Leitungen geplant, die bis 2025 verstärkt oder neu errichtet werden sollen. Realisiert wurde bis September vergangenen Jahres aber erst ein Achtel .
In den nun präsentierten Plänen für 2030 schlagen die Netzbetreiber weitere 4500 Kilometer an Neu- und Umbauten vor, um das Ökostrom-Ziel der Bundesregierung von 65 Prozent zu erreichen und den Kohleausstieg abzusichern. Trotz des höheren Bedarfs steigt allerdings der politische Druck, möglichst wenige der unpopulären Masten und Kabel in die Landschaft zu pflanzen.
Netzbooster würden die bestehenden Leitungen maximal ausreizen
"Aus Gründen der Akzeptanz und der Kosten gibt es Grenzen für den weiteren Netzausbau", urteilten vergangenen September Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und sämtliche seiner zuständigen Ressortkollegen aus den Ländern. Einhelliger Wunsch der Minister: Bestehende Leitungen sollen höher ausgelastet werden, gern durch eine stärkere Digitalisierung und den Einsatz moderner Technologien. Mit den Netzboostern könnte nun der Einstieg in eine Technik vorbereitet werden, mit der Stromleitungen bis an den Rand des Machbaren ausgereizt werden.
Schon seit Jahren müssen die Netzfirmen immer häufiger eingreifen, wenn mehr Strom in die Nord-Süd-Leitungen drückt, als sie transportieren können. Für den sogenannten Redispatch regeln die Betreiber dann Kraftwerke im Norden herunter und fahren Reservekapazitäten im Süden hoch. Ergebnis ist ein virtueller Stromtransport. Die Kosten für diese Eingriffe stiegen 2017 laut Bundesnetzagentur auf den neuen Spitzenwert von 1,4 Milliarden Euro. Die drei geplanten Riesenbatterien sollen den zukünftigen Bedarf an Redispatch nach Angaben der Netzbetreiber um knapp zehn Prozent senken.
Die Batterien müssten innerhalb von Sekunden reagieren, um einen Blackout zu verhindern
Das eigentlich Neue gegenüber den bisherigen Eingriffen wäre aber, dass ein Netzbooster erst dann Strom liefern soll, wenn bereits eine wichtige Leitung oder ein Kraftwerk ausgefallen ist. Techniker sprechen vom n-1-Fall. Wenn in diesem Szenario auch nur ein weiterer kritischer Bestandteil des Netzes versagen würde, droht ein großflächiger Blackout. "Innerhalb weniger Sekunden oder Minuten würden einzelne Leitungen überhitzen. Der Netzbooster muss also sehr schnell reagieren", erklärt Christoph Maurer von der Unternehmensberatung Consentec, der das Konzept mitentwickelt hat.
Batterien können laut Maurer innerhalb von Millisekunden einspringen. "Mithilfe der Netzbooster müssten weniger Kraftwerke präventiv abgeregelt werden und ungenutzte Transportreserven in den Leitungen ließen sich besser nutzen", erklärt der Ingenieur.
Erprobt wurde das Konzept bisher allerdings noch nicht, deshalb ist zunächst ein Testbetrieb geplant. "Der Netzbooster soll bereits in der Pilotphase von der Systemführung genutzt werden und in entsprechenden Situationen die Möglichkeit schaffen, die Leitungen auch tatsächlich höher auszulasten und im Falle von Netzfehlern einzugreifen", erklärte eine Sprecherin des zuständigen Unternehmens TransnetBW.
Kritisch sieht der Wissenschaftler Ulf Häger von der TU Dortmund die Notwendigkeit, dass die Netzbetreiber im n-1-Fall schnell genug reagieren. Das würde nur funktionieren, wenn "die vier Übertragungsnetzbetreiber noch enger zusammenarbeiten. Deshalb müssen sie gemeinsame Betriebs- und Automatisierungskonzepte entwickeln, damit die Netzbooster auf eine Vielzahl unterschiedlicher Störfälle geeignet reagieren können."
Zunächst muss der Plan für die Gigabatterien allerdings von der Bundesnetzagentur und vom Bundestag bestätigt werden. Prüfen muss die Regulierungsbehörde vor allem, ob es nicht günstigere Alternativen für die teure Technik gibt. Gegenüber Experten der Netzagentur präsentierte Unternehmensberater Maurer bereits Modellrechnungen für die sechsfache Menge an Batteriespeichern. Geschätzte Kosten: bis zu zehn Milliarden Euro.
Zusammengefasst: Die vier Betreiber des Stromübertragungsnetzes wollen in Süddeutschland ab 2025 drei große Batteriespeicher erproben. Die Netzbooster sollen es ermöglichen, mit vorhandenen Leitungen mehr Strom zu transportieren und dadurch auf einige neue Trassen zu verzichten. Die Bundesnetzagentur muss noch prüfen, ob die neue Technologie für die Stromverbraucher wirtschaftlich ist und sich das Netz mit ihr sicher betreiben lässt.
Anmerkung der Redaktion: In der vorherigen Version dieses Textes fehlte die Information über die kürzlich erfolgte Insolvenzanmeldung des US-Energieversorgers PG&E. Wir haben die entsprechende Passage im Text ergänzt und bedanken uns bei einem aufmerksamen Leser.