Pannen-Reaktor Kieler Atomaufsicht ließ Krümmel trotz Sicherheitsbedenken ans Netz
Die schleswig-holsteinische Atomaufsicht hat das Kernkraftwerk Krümmel im Juni 2009, nach zweijähriger Pause, wieder anfahren lassen, obwohl ihr Sicherheitsprobleme bekannt waren. Das belegen vertrauliche Unterlagen und Gutachten.
Nach dem Trafo-Brand am 28. Juni 2007 hatte das für die Atomaufsicht zuständige Sozialministerium Experten des Öko-Instituts beauftragt, die Aufarbeitung des Ereignisses durch den Betreiber Vattenfall zu bewerten. Die monierten eine generell mangelhafte Lernbereitschaft beim Kraftwerkspersonal.
Vor allem in Bereich "Organisation und Kommunikation" gebe es gravierende Defizite. Insgesamt müsse man davon ausgehen, "dass bisher der Erfahrungsrückfluss und die Erfahrungsauswertung im Kernkraftwerk Krümmel unzureichend gepflegt" wurden. "Dies kann maßgeblichen Einfluss auf die Sicherheitslage haben."
Die von Vattenfall nach dem Brand in einem "Maßnahmenpaket" vorgeschlagenen Änderungen im Bereich der "Organisation und Kommunikation" seien, "gemessen an den vorliegenden Erkenntnissen, unvollständig". Die Gutachter empfahlen "ein funktionsfähiges Sicherheitsmanagementsystem" aufzubauen. Der Betreiber solle der Atomaufsicht umgehend ein Konzept für dessen "zeitnahe Implementierung" vorlegen. Noch vor dem Wiederanfahren der Anlage müsse "belastbar gezeigt werden, dass der Aufbau" eines Sicherheitsmanagementsystems "angegangen und weiterverfolgt wird". Ein wichtiger Baustein eines solchen Systems ist die korrekte Benutzung des Betriebshandbuchs.
Im Öko-Institut-Gutachten aus dem Oktober 2007 heißt es: "Wir halten es für erforderlich, dass klar herausgearbeitet wird, in welchen Situationen und ab welchem Zeitpunkt der zwingende Abgleich der Planungen und Handlungen mit dem Betriebshandbuch (BHB) erforderlich ist." Denn der Blick ins Handbuch, das hatte das Kommunikationschaos in Krümmel während des Trafo-Brands gezeigt, galt in Krümmel offenbar nur als unverbindliche Empfehlung.
In ihrer Stellungnahme zum Stand der Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen von Ende Mai 2009 monieren die Gutachter: "Die vom Kernkraftwerk Krümmel vorgeschlagene Anweisung ist unklar. Insbesondere fehlt eine hinreichend klare und abprüfbare Definition, wann direkt Gebrauch vom BHB zu machen ist." Zum Thema "Anfahrrelevanz" merken die Gutachter an: "Kann voraussichtlich vor Wiederanfahren nicht geklärt werden." Am 19. Juni ging das Kernkraftwerk Krümmel dennoch wieder ans Netz, doch am 4. Juli wurde der Reaktor wieder abgeschaltet - wegen einer Störung im Maschinentransformator.
Atomkraftwerke in Deutschland