Exotisches Teilchen Physikern gelingt Nachweis eines Partikels aus vier Quarks

Der Large Hadron Collider im Cern, Schweiz: 180 Billionen Kollisionen brachten den Beweis
Foto: DENIS BALIBOUSE/ REUTERSGenf - Das Gebäude der Teilchen und subatomaren Partikel in der Physik ist bereits jetzt ein kompliziertes Konstrukt. Neue Experimente des Teilchenbeschleunigers Large Hadron Collider (LHC) im Kernforschungszentrum Cern in der Schweiz machen es noch ein wenig komplexer. Die Cern-Forscher wiesen mit besonders großer statistischer Sicherheit ein sogenanntes "exotisches Hadron" nach. Es besteht demnach nicht wie die Mesonen aus zwei oder wie die Baryonen aus drei Quarks, sondern gleich aus vier.
Der Nachwuchs in Form des "Z(4430)-" getauften subatomaren Partikels kam für die Forscher nicht gänzlich unerwartet. Durch theoretische Überlegungen wurde seine Existenz schon vor Jahren von Physikern erahnt. Experimente an einem japanischen Beschleuniger lieferten 2008 erste Belege dafür, dass es ein solches Tetraquark geben könnte. Zunächst versuchten sich US-amerikanische Physiker daran, diese Belege zu untermauern - ohne Erfolg.
Nun scheint der Nachweis des außergewöhnlichen Teilchens tatsächlich geglückt: Vorab veröffentlichten die Cern-Forscher ihre Ergebnisse aus dem Teilchenbeschleuniger. Sie übertreffen die vor sechs Jahren gemachten Messungen in ihrer Aussagekraft deutlich und sollen im Fachmagazin "Physical Review Letters" erscheinen.
"Statistische Signifikanz ist überwältigend"
Physiker geben die Gültigkeit ihrer Messungen oft mit Hilfe der sogenannten Standardabweichung (Sigma) an. Mit ihr lässt sich ausdrücken, wie zuverlässig Messergebnisse sind und wie wahrscheinlich es ist, dass sie zufällig zustande gekommen sind. Ab einer Grenze von fünf Sigma für ein durchgeführtes Experiment sprechen viele Teilchenphysiker von Fachmagazinen von einer "Entdeckung" oder "Beobachtung" .
Bereits die 2008 aufgezeichneten Messwerte schafften es über diese Grenze. Das Risiko, dass es sich bereits damals um ein zufälliges Signal handelte, lag bei rund 1 zu 3,5 Millionen. Die nachfolgenden Versuche, den Ausschlag nochmals zu messen, scheiterten, sorgten aber für Verwunderung in der Fachwelt.
Doch die nun von den Cern-Forschern veröffentlichten Messungen räumen jeden Zweifel aus. Mit gleich 13,9 Standardabweichungen machten die Wissenschaftler ihr "Z(4430)-" zum guten Kandidaten für ein Tetraquark und somit als ein neues exotisches Hadron dingfest. Die Wahrscheinlichkeit für einen Irrtum ist verschwindend gering. Wohl auch deswegen sprechen die Forscher auf der Webseite des Experiments von einer "eindeutigen Beobachtung eines exotischen Partikels, der nicht im traditionellen Quark-Modell klassifiziert werden kann".
Seinen eckigen Namen verdankt das nun nachgewiesene Hadron seinen Eigenschaften, etwa seiner Masse. Die ist mit 4430 Mega-Elektronenvolt rund viermal so groß wie die eines Protons. Zudem ist das exotische Hadron negativ geladen. Die Physiker vermuten, dass es aus je einem Charm-, Anti-Charm-, einem Down- und einem sogenannten Anti-Up-Quark besteht. Insgesamt sind sechs solcher "Flavours" bekannt.
Bedingungen wie kurz nach dem Urknall
Der Versuchsaufbau der Forscher für den Nachweis am Cern wurde entwickelt, um das Verhältnis von Materie und Anti-Materie im Weltall zu beleuchten. Ziel des LHCb-Projekts ist es, die Zustände kurz nach dem Urknall nachzuahmen und auch den Teilchenzoo genauer zu erforschen.
Um das Ungleichgewicht von Materie und Anti-Materie bei der Entstehung des Kosmos erklären zu können, lassen die Physiker des Cern Protonen mit hoher Geschwindigkeit in einem kilometerlangen Ring aufeinanderprallen und zerschmettern. Für den Nachweis des Tetraquarks beobachteten die Physiker rund 25.000 Zerfallsprozesse von Teilchen, die durch 180 Billionen Kollisionen von Protonen hervorgerufen wurden.
Dabei sollen rund 4000 der exotischen Hadronen entstanden sein, schreiben die Forscher in ihrer Arbeit. Stabil sind allerdings auch die nicht lange gewesen. Sie zerfielen ebenfalls in andere Teilchen und das sogar schneller, als die Forscher vorhergesagt und erwartet hatten.
Ob das exotische Teilchen wirklich ein Tetraquark ist oder womöglich ein loser Zusammenschluss von zwei Quark-Paaren, müssen die Wissenschaftler in weiteren Experimenten klären. Sollten sich allerdings die Beweise noch weiter erhärten, so stehen die Chancen gut, dass das neue Mitglied der Teilchenfamilie noch weitere Geschwister haben könnte, die ebenfalls aus vier Quarks bestehen.