Förderende für Fotovoltaik Tausenden Solaranlagen droht das Aus

Wegen einer Gesetzeslücke stehen etliche in die Jahre gekommene Fotovoltaikanlagen vor der Abschaltung. Nach derzeitiger Rechtslage ist ihr Weiterbetrieb praktisch unmöglich.
Allein zum Ende dieses Jahres fallen gut 18.000 Anlagen aus der EEG-Förderung. Bis Ende 2025 sind es insgesamt 176.600

Allein zum Ende dieses Jahres fallen gut 18.000 Anlagen aus der EEG-Förderung. Bis Ende 2025 sind es insgesamt 176.600

Foto: MiS/ imago images

Die Energiewende begann mit Menschen wie Hermann Noth. Vor fast zwanzig Jahren installierte der Ingenieur auf dem Dach seines Reihenhauses im hessischen Dieburg eine Fotovoltaikanlage. "Mir gefiel die Idee, selbst Strom zu erzeugen, unabhängig von den Energiekonzernen", erklärt Noth.

Kurz zuvor hatte die damalige rot-grüne Regierung das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verabschiedet. Es garantiert Anlagenbetreibern zwanzig Jahre lang eine feste Vergütung für den Strom, den sie ins Netz einspeisen.

Für Noth, heute in Rente, ist diese Schwelle bald erreicht. Was kommt danach? Seine 3,5-Kilowatt-Anlage funktioniert noch einwandfrei. "Sie kann bestimmt weitere fünf oder zehn Jahre laufen", erwartet er.

Dennoch muss er sie womöglich bald außer Betrieb setzen - wegen einer Gesetzeslücke: Es fehlt im EEG an einer Regelung, die den Weiterbetrieb solcher Altanlagen möglich macht. "Wenn die Politik hier keine Lösung findet, schalte ich meine Anlage ab", sagt Noth.

Batteriespeicher helfen nicht weiter

So wie Noth geht es auch vielen anderen Solarpionieren. Allein zum Ende dieses Jahres fallen gut 18.000 Anlagen aus der EEG-Förderung. Bis Ende 2025 sind es insgesamt 176.600. Zusammen kommen sie laut Umweltbundesamt auf eine Leistung von fast zwei Gigawatt, die dann für die Energiewende fehlen würden. Das entspricht drei mittelgroßen Kohlekraftwerksblöcken.

Zwar können die Betreiber nach Förderende ihren Strom so weit wie möglich selbst verbrauchen, sagt der auf Energiethemen spezialisierte Rechtsanwalt Sebastian Lange aus Potsdam.

Allerdings werden sie es kaum schaffen, mehr als dreißig Prozent ihres Stroms selbst zu nutzen. Denn in sonnigen Stunden liefern die Anlagen meist viel mehr Energie als die Haushalte gerade benötigen.

Manche Installateure raten deshalb, für diesen Überschuss einen Batteriespeicher zu installieren. Der müsste jedoch übermäßig groß ausfallen, um den gesamten ungenutzten Strom aufnehmen zu können. Wirtschaftlich gesehen ist das unsinnig.

Stromverkauf verlangt neue, teure Zähler

Was also mit dem überschüssigen Strom anfangen? Das zuständige Bundeswirtschaftsministerium verweist auf Anfrage des SPIEGEL darauf, dass die Anlagenbetreiber nach derzeitigem Recht neben dem Eigenverbrauch auch die Möglichkeit haben, am Strommarkt teilzunehmen - sie können die Energie an der Strombörse verkaufen.

Dafür müssten die Betreiber jedoch ihre Anlage nachrüsten. "Wer Strom verkaufen will, muss seine Einspeisung ins Netz im Viertelstundentakt erfassen", erläutert Anwalt Lange. Das verlangt nun den Einbau neuer, teurer Zähler. "In den allermeisten Fällen kosten sie mehr, als die Anlagenbetreiber mit dem Verkauf erlösen können." Während der Einspeisevergütung nach EEG gibt es eine solche Pflicht nicht.

Verschenken verboten

Dazu kommt: Wer am Stromhandel teilnehmen will, muss allerlei komplexe rechtliche Anforderungen erfüllen. Die Betreiber von Solarparks und anderen Erneuerbare-Energien-Großanlagen, die ihren Strom schon seit Jahren an der Börse verkaufen, nutzen deshalb die Dienste sogenannter Direktvermarkter.

Kleinanlagen auf Hausdächern sind für diese Dienstleister bei derzeitiger Rechtslage aber uninteressant, da der Aufwand für die geringen Strommengen viel zu groß ist.

Und den überschüssigen Strom einfach verschenken, indem man ihn ohne Vergütung ins Netz leitet? "Das ist nicht erlaubt", sagt Lange - ein solches "wildes Einspeisen" würde unterhalb des Radars der Netzbetreiber geschehen. Das erschwert es ihnen, Angebot und Nachfrage in den Leitungen im Gleichgewicht zu halten.

Verzicht auf Messungen im Viertelstundentakt

Energieexperten aus Wirtschaft und Forschung haben deshalb in den letzten Monaten verschiedene Vorschläge entwickelt, wie sich das EEG so novellieren ließe, dass die alten Anlagen eine Zukunft haben.

Ein Zusammenschluss von Firmen aus der Energiebranche - darunter der Versorger EnBW, der Speicherhersteller Sonnen und auch Tesla - hat ein Konzept vorgelegt, das die Direktvermarktung deutlich vereinfachen soll.

Statt individuelle viertelstündliche Messungen vorzunehmen, sollen pauschale Standardwerte genutzt werden, schlagen sie vor. Das senkt die Kosten erheblich, damit sich der Verkauf auch geringer Strommengen rentiert. Damit würden die Altanlagen auch für Direktvermarkter interessant.

Warten auf die EEG-Novelle

Das Bundeswirtschaftsministerium zeigt sich grundsätzlich offen für neue Ideen zur Direktvermarktung von Strom aus Kleinanlagen. "In der kommenden EEG-Novelle werden wir das Thema aufgreifen", erklärt eine Sprecherin des Ministeriums.

Für die Eigentümer von Anlagen, deren Förderung demnächst ausläuft, bedeutet das aber trotzdem Ungewissheit. "Es ist längst nicht sicher, dass es der Bundesregierung gelingt, rechtzeitig eine Regelung auf den Weg zu bringen, die den Weiterbetrieb der Anlagen erlaubt", meint Lange.

Denn die Novellierung des EEG ist keine triviale Aufgabe - die alten Fotovoltaikanlagen sind dabei nur eine vergleichsweise kleine Baustelle.

Gut möglich also, dass die für den Herbst geplante Novelle länger auf sich warten lässt. Denn schließlich haben sich auch andere Großvorhaben der Bundesregierung im Energiebereich, etwa die Nationale Wasserstoffstrategie , wegen koalitionsinterner Differenzen monatelang verzögert.

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