Quantenphysik-Rekord Forscher konservieren Licht in Kristall

Physiker können Licht verlangsamen und sogar anhalten. Forschern aus Darmstadt gelang nun ein neuer Rekord: Für eine Minute speicherten sie Informationen eines Strahls in einem Kristall. Die Technik soll dabei helfen, extrem schnelle Quantencomputer zu entwickeln.
Physiker Thomas Halfmann der TU Darmstadt im Labor: In Kristallen fangen Forscher für eine Minute Lichinformationen

Physiker Thomas Halfmann der TU Darmstadt im Labor: In Kristallen fangen Forscher für eine Minute Lichinformationen

Foto: Katrin Binner/ TU Darmstadt

Licht legt schwer vorstellbare 300.000 Kilometer in der Sekunde zurück - allerdings nur im Vakuum. Durchquert es ein Medium, so bremsen dessen Eigenschaften die Geschwindigkeit des Lichts. Seit Jahren können Physiker so Licht verlangsamen und sogar "stoppen".

Bisher war dies allerdings nur für wenige Sekunden möglich. Denn um einen Lichtstrahl anzuhalten, speichern Physiker seine Informationen in Gasen oder Kristallen zwischen. Mit diesen können sie ihn später reproduzieren. Doch neigen die empfindlichen Lichtspeicher dazu, ihre Informationen schnell wieder zu verlieren. Mit einem Kristall gelang es nun Darmstädter Physikern um Georg Heinze, die Informationen von Lichtwellen besonders lange zu speichern und abrufbar zu halten - für eine ganze Minute.

In einem Kristall, der das Element Praseodym enthielt, konnten die Physiker mit Hilfe von Magnetfeldern den schnellen Datenverlust verhindern. "Stellen Sie sich vor, das Praseodym wäre ein Mann mit einem Aktenkoffer in einer Menschenmenge", sagt Thomas Halfmann, Physiker und Mitautor der im Fachmagazin Physical Review Letters erschienen Studie.  "Er kann leicht angerempelt werden und den Koffer mit Informationen verlieren. Mit dem Magnetfeld um den Kristall ist es aber so, als ob wir das Praseodym zu einem zwei Meter großen Rugby-Spieler machen. Der ist unempfindlicher gegen Rempler und Störungen."

Methoden aus Informatik, Physik und Biologie

Das eigentliche Geheimnis der Darmstädter Forscher ist dabei ihr Versuchsaufbau und der geschickte Einsatz von fein aufeinander abgestimmten Komponenten. "Wir führen die Berechnungen, die unsere Lichtpulse optimieren, mit selbstlernenden Algorithmen durch. Wir nutzen Wissen und Methoden aus der Informatik, Physik aber auch Biologie."

So schafften es die Physiker, aus Millionen von möglichen Einstellungen innerhalb kurzer Zeit die besten zu bestimmen und ihren Aufbau zu eichen. Wie in der Evolution ließen sie Parameter in Algorithmen konkurrieren und sich zufällig verändern. Die Einstellungen mit dem besten Ergebnis setzten sich durch und sorgten für die Feinabstimmung der Apparatur.

Licht nicht gestoppt, sondern gespeichert

Mit einem Laser manipulierten die Physiker dann den auf vier bis fünf Kelvin über dem absoluten Nullpunkt gekühlten Kristall. Der veränderte seine optischen Eigenschaften und übernahm die Daten, die in einem anderen Lichtstrahl enthalten waren. "Es wird oft davon gesprochen, dass das Licht gestoppt wird. Das ist ein etwas unglücklicher Begriff", erklärt Thomas Halfmann von der TU Darmstadt.

"Wir haben die Information des Lichtes gespeichert und können damit auch nach einer Minute noch eine exakte Kopie des Strahls aus dem Kristall abrufen." Ein vorher in das Licht eingeprägte Muster konnten die Physiker so auch nach vielen Sekunden aus dem Kristall lesen.

Die Forscher bewegten sich mit ihrem Ergebnis nah an der theoretischen Grenze für das verwendete Material von etwa 100 Sekunden. Für die Zwischenspeicherung von Daten für lichtbasierte Computer ist dies bereits ein großer Schritt. Allerdings lässt sich durch andere Kristalle womöglich noch der Speicherzeitraum vergrößern.

Quantenrechner müssten mit einzelnen Photonen arbeiten

Für einen Kristall mit dem Element Europium planen die Forscher die Leistung des Lasers etwa zu verzehnfachen. Sie hoffen, das Experiment in zwei bis drei Jahren auf den neuen Datenkristall umgestellt zu haben. Dann wären deutlich längere Speicherzeiten möglich: Die Grenze für Europium liegt bei etwa einer Woche.

Damit wäre eine Anwendung innerhalb eines Quantenrechners denkbar. Aber dafür müssten die Forscher noch ein anderes Problem bewältigen, so Halfmann. "Derzeit speichern wir etwa 50 bis 100 Photonen pro Bildpixel. Unser Ziel ist es aber auch einzelne Photonen zu speichern."

Mit der neuen Technologie könnte die klassische Computerindustrie revolutioniert werden, hoffen die Physiker. Die stoße nämlich derzeit an ihre Grenzen, sagt Halfmann, und fordert: "Zur Leistungssteigerung muss die nächste Technologie optisch sein."

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