Präzisionswaage Den Elefanten zur Mücke gemacht

Winzige Elektronen auf der Waage: Das neue Verfahren ist 13-mal genauer
Foto: CorbisHeidelberg - Eine Mücke als blinden Passagier an Board eines Airbus A380 erwischen, das wollen Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg möglich gemacht haben. Mit diesem Vergleich beschreibt Projektleiter Sven Sturm ein neues Messverfahren. Die Masse eines Elektrons ist sehr schwer zu messen, weil sie so winzig ist. Wissenschaftlern ist es nun gelungen, diesen Wert gleich 13-mal genauer zu bestimmen als es bisher möglich war. Über ihr Verfahren berichten Sturm und seine Kollegen in der Fachzeitschrift "Nature" .
"Normalerweise muss man in der Präzisionsphysik zehn, 20 Jahre forschen, um einen fundamentalen Wert um eine Größenordnung zu verbessern", wird Klaus Blaum, Direktor am Max-Planck-Institut für Kernphysik, in einer Mitteilung zur Studie zitiert. Deshalb sei diese Verbesserung um den Faktor 13 außergewöhnlich. Auch Edmund Myers von der Florida State University in Tallahassee, Florida, schreibt in "Nature", dass eine Verbesserung der Messgenauigkeit in dieser Größenordnung auf Jahre hinaus wohl kaum erreicht werden könne.
Sturm und sein Team geben die Ruhemasse eines Elektrons nun mit 0,000548579909067 in der Atomaren Maßeinheit u an (ein u entspricht einem Zwölftel der Atommasse des Kohlenstoff-Isotops 12C). Das bedeute, dass ein Elektron ein 1836,15267377stel der Protonenmasse besitzt. Die genaueren Werte sind bedeutsam für die Überprüfung des Standardmodells der Elementarteilchen. Kleinste Abweichungen der Messergebnisse in Teilchenbeschleunigern von den theoretischen Vorhersagen könnten Hinweise auf eine Physik jenseits des Standardmodells sein, schreibt Myers.
Ion auf Rundkurs
Ein gewöhnliches Kohlenstoffatom besitzt sechs Protonen und sechs Neutronen im Atomkern und sechs Elektronen in der Atomhülle. Die Forscher schossen nun fünf Elektronen weg, so dass der Atomkern mit einem Elektron übrig blieb. Dieses Ion zwangen die Physiker mittels eines extrem gleichförmigen Magnetfeldes auf eine besondere Bahn: Das Ion bewegte sich spiralförmig um eine Sinuskurve, die wiederum einen Kreis beschrieb.
Mit ausgeklügelten Messsystemen und neuesten Berechnungsmethoden bestimmten die Wissenschaftler die Frequenz und andere Eigenschaften dieser Bewegung. Nachdem sie den Beitrag des Kohlenstoffkerns abgezogen hatten, konnten sie den Wert für das Elektron bestimmen.
Institutsdirektor Blaum erklärt die Präzisionsmessung mit einem Vergleich: "Bei einem Formel-1-Rennen auf einem Rundkurs können Zuschauer mitzählen, wie oft ein Rennwagen vorbei rast, und mit Hilfe der Streckenlänge daraus seine Geschwindigkeit abschätzen." So ähnlich funktioniere auch die Messung im Magnetfeld, wobei die Physiker in diesem Fall auch kleinste Bruchteile ganzer Umläufe messen könnten.