Rekord Forscher teleportieren Licht über 143 Kilometer

Das Quanten-Internet rückt näher: Forscher haben Informationen über eine Strecke von 143 Kilometern teleportiert. Damit kommt die Übertragung per Satellit in Reichweite - eine wichtige Voraussetzung für die Anwendung des Licht-Beamens in der Praxis.
Optical Ground Station der Esa auf Teneriffa: Sichtbare grüne Laser werden zur Abstimmung der Teleskope verwendet, die Photonen werden im Infrarot-Bereich gebeamt

Optical Ground Station der Esa auf Teneriffa: Sichtbare grüne Laser werden zur Abstimmung der Teleskope verwendet, die Photonen werden im Infrarot-Bereich gebeamt

Foto: IQOQI Vienna / Austrian Academy of Sciences

Wien/London - Das Teleportieren von Quanten könnte die sichere Kommunikationstechnik der Zukunft sein - und internationale Forscherteams liefern sich inzwischen einen Wettlauf, der atemberaubende Fortschritte produziert. 2004 galt es als Sensation, dass Forscher Lichtteilchen - oder genauer: deren Quantenzustände - über die Donau gebeamt haben. Chinesische Forscher haben auf diese Art vor zwei Jahren Informationen 16 Kilometer weit gebeamt und im August dieses Jahres sogar die 100-Kilometer-Marke geknackt.

Jetzt haben österreichische Forscher die Latte erneut höher gelegt: Ein Team um den Wiener Physikprofessor Anton Zeilinger hat den Quantenzustand eines Photons von der Kanareninsel La Palma zum benachbarten Teneriffa teleportiert - über eine Strecke von 143 Kilometern. Vor kurzem haben Zeilinger und seine Kollegen den Erfolg bereits vorab vermeldet, doch erst jetzt bekommt der Rekord durch die Veröffentlichung im Fachblatt "Nature"  eine offizielle Wirkung.

Das Interessante an solchen Entfernungen ist nicht die schiere Zahl - sondern die Tatsache, dass damit die satellitenbasierte Quantenkommunikation in Reichweite kommt. "Unser Experiment zeigt, wie reif Quantentechnologien heutzutage sind und wie nützlich sie für praktische Anwendungen sein können", sagte Zeilinger in einer Mitteilung der Universität Wien. Ein künftiges, weltweites Quanteninternet könne quantenphysikalische Effekte nutzen, um die Kommunikation abhörsicherer zu machen und manche Berechnungen zu beschleunigen, meinen die Physiker.

Beamen mit "spukhafter Fernwirkung"

Bei der Quantenteleportation wird streng genommen nichts teleportiert, stattdessen werden Informationen - etwa der Spin oder die Polarisation eines Photons - praktisch verzögerungsfrei von einem Ort zum anderen geschickt. Das gelingt mit Hilfe eines Effekts namens Quantenverschränkung. Dabei werden zwei Photonen so miteinander verschmolzen, dass sie einen gemeinsamen Quantenzustand bilden. Der gemeinsame Zustand bleibt bestehen - egal, wie weit die Teilchen voneinander entfernt sind und ohne dass ein messbares Signal zwischen ihnen ausgetauscht wird. Albert Einstein hat den Effekt einst als "spukhafte Fernwirkung" verspottet.

Eines der beiden verschränkten Lichtteilchen schickten die Physiker von La Palma nach Teneriffa. Das war ihnen 2007 bereits gelungen; damals hatten sie mit dem System jedoch noch keine Informationen übertragen. Das erreichten sie über diese Entfernung erstmals mit dem neuen Versuch.

Und das geht so: Das beim Sender verbliebene Photon des verschränkten Systems wird mit einem weiteren, dritten Lichtteilchen verschränkt. Dessen Quantenzustand ist die Information, die übertragen werden soll. Bei der Verschränkung löst sich der Quantenzustand des dritten Photons auf, wird aber zugleich auf das entfernte Lichtteilchen auf Teneriffa übertragen, das noch immer mit seinem Partner auf La Palma verschränkt ist. Das entfernte Lichtteilchen wird damit zu einer exakten Kopie des dritten, informationstragenden Photons.

Hoffnung auf abhörsichere Kommunikation

Der Vorteil der Quantenteleportation liegt darin, dass sie aus physikalischen Gründen abhörsicher ist. Fängt ein Spion das verschränkte Lichtteilchen ab, geht die Verschränkung verloren - die Datenübertragung funktioniert nicht mehr. Daher erhoffen sich Forscher von der Quantenteleportation eine sicherere Kommunikation. Dazu müssen sich die verschränkten Photonen jedoch über weite Strecken störungsfrei übertragen lassen, am besten zu Satelliten. Dass dies möglich ist, haben die Wiener Forscher zusammen mit Münchner und kanadischen Kollegen nun nach eigenen Angaben gezeigt.

"In satellitenbasierten Experimenten werden die Strecken, die wir zurücklegen müssen, zwar länger sein, aber es wird weniger Atmosphäre zu durchqueren sein", erläuterte Co-Autor Rupert Ursin vom Wiener Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI), dessen Direktor Zeilinger ist. Denn die störende Luft wird nach oben rasch dünner. "Wir haben nun eine grundsolide Basis für solche Experimente geschaffen."

Für das Teleportieren von Gegenständen oder gar Lebewesen ist die Technik übrigens nicht geeignet. Zwar ist es Forschern bereits gelungen, nicht nur die Eigenschaften von Lichtteilchen, sondern auch die von Atomen zu versenden. Doch das Beamen eines Menschen, so wie es in "Raumschiff Enterprise" vorkommt, dürfte bis auf Weiteres im Reich der Science-Fiction bleiben. Denn bekanntlich besteht ein Mensch aus einer ganzen Menge von Atomen, die obendrein am Zielort wieder in der ursprünglichen Anordnung ankommen sollten.

mbe/dpa

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