Radioaktivität Extreme Strahlung an Fukushima-Wassertank gemessen

Erneute Eskalation in Fukushima: Das Wasser, das aus undichten Tanks auf dem Gelände des havarierten Atomkraftwerks austritt, strahlt viel stärker als bisher angenommen. Zuvor hatten Arbeiter offenbar Messinstrumente verwendet, die derart hohe Werte gar nicht erfassen konnten.
Radioaktivität: Extreme Strahlung an Fukushima-Wassertank gemessen

Radioaktivität: Extreme Strahlung an Fukushima-Wassertank gemessen

Foto: AP/dpa

Tokio - Die Kette an haarsträubenden Zwischenfällen in Fukushima reißt nicht ab. Erst vor wenigen Tagen hatte die japanische Atomaufsicht die Probleme an der Nuklearanlage auf Stufe drei der bis sieben reichenden internationalen Skala für Atomunfälle eingeordnet, was einem "ernsten Störfall" entspricht. Der Grund: Aus der Anlage waren rund 300 Tonnen radioaktiv kontaminiertes Wasser ausgelaufen.

In Pfützen seien Strahlungswerte von 100 Millisievert pro Stunde gemessen worden, hatte es damals geheißen. Jetzt aber stellt sich heraus, dass selbst dieser Wert noch weit unterhalb der Realität lag. Die AKW-Betreiberfirma Tepco teilte am Samstag mit, dass man am selben Tank nun 1800 Millisievert pro Stunde gemessen habe. Hielte sich ein Mensch in unmittelbarer Nähe einer solchen Strahlenquelle auf, hätte er nach vier Stunden eine tödliche Dosis aufgenommen. Ein AKW-Mitarbeiter darf nach japanischem Gesetz 50 Millisievert abbekommen - pro Jahr.

Kaum weniger erschreckend als der jetzt gemessene Wert ist die Begründung, warum er zuvor nicht entdeckt wurde: Nach Angaben eines Tepco-Sprechers hatten die Aufseher Messgeräte benutzt, die maximal 100 Millisievert erfassen können. Erst als sie neue Instrumente bekommen hätten, die bis zu 10.000 Millisievert reichten, sei die enorm erhöhte Strahlung aufgefallen. Es handele sich dabei um Betastrahlung. Sie ist zwar leichter abzuschirmen als Gammastrahlung, kann allerdings ebenfalls schwere Gesundheitsschäden verursachen.

Wenigstens, so der Sprecher weiter, sei an dem betroffenen Tank kein neues Leck entdeckt worden: "Der Wasserstand im Inneren ist unverändert." Der Grund des hohen Strahlungswerts sei allerdings unbekannt. Man versuche, der Sache auf den Grund zu gehen.

Weiteres Leck entdeckt

Zugleich sei den Arbeitern ein neues Leck aufgefallen. Aus einer Verbindungsleitung zwischen zwei Tanks tropfe strahlendes Wasser. Die Menge halte sich allerdings in Grenzen: Etwa alle anderthalb Minuten trete dort ein Tropfen verseuchter Flüssigkeit aus. Die Strahlung an der Stelle betrage 230 Millisievert pro Stunde.

An zwei weiteren Wasserbehältern seien ebenfalls erhöhte Strahlungswerte gemessen worden, erklärte der Tepco-Sprecher. An einem habe man 70, an einem anderen 220 Millisievert pro Stunde registriert. Das seien 150 mehr als im vergangenen Monat. Die betroffenen Tanks bestehen aus Stahlplatten, die von Nieten zusammengehalten werden - genauso wie der Behälter, aus dem die 300 Tonnen strahlendes Wasser entwichen sind.

Die Tanks machen seit Monaten Ärger. Seit den Kernschmelzen, die sich in Folge des Erdbebens und Tsunamis vom 11. März 2011 im AKW Fukushima-Daiichi ereigneten, pumpen die Reparaturtrupps unentwegt Wasser zur Kühlung in die Reaktoren. Die dabei anfallenden riesigen Mengen verseuchten Wassers werden in die Tanks auf dem Gelände des AKW gefüllt. Das Wasser soll aufbereitet werden, um es erneut zur Kühlung einzusetzen. Erschwerend hinzu kommt allerdings, dass jeden Tag Hunderte Tonnen Grundwasser in die Reaktorgebäude eindringen und sich mit dem kontaminierten Kühlwasser vermischen.

Die japanische Atomaufsichtsbehörde hat angesichts der nicht enden wollenden Pannenserie die Fähigkeit Tepcos in Frage gestellt, die Krise allein meistern zu können. Das Unternehmen hat vergangene Woche auf die Kritik reagiert und angekündigt, ausländische Experten bei der Bekämpfung der Wasserlecks um Rat zu fragen. Die Regierung in Tokio hat außerdem angedeutet, möglicherweise einen 2,7 Milliarden Euro schweren Notfall-Fonds anzuzapfen, um die Folgen der AKW-Katastrophe zu bekämpfen.

mbe/Reuters/AFP
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