
Foto-Analyse Nordkoreas Raketen entpuppen sich als Attrappen
- • Erbeutetes Fluggerät: Iraner bauen angeblich US-Drohne nach
- • Propaganda digital: Iran fälscht Foto von Raketentest
Das Prahlen mit Waffen, die tatsächlich oder nur in Propaganda-Phantasien existieren, gehört zu den Lieblingsbeschäftigungen diktatorischer Regimes. Iran etwa behauptete neulich zum Amüsement westlicher Experten, man wolle die kürzlich erbeutete amerikanische Stealth-Drohne nachbauen. Zuvor war Teheran mit gefälschten Fotos eines Raketentests aufgefallen. Auch die Sowjets sollen im Kalten Krieg Paraden mit Raketen-Attrappen abgehalten haben, die im Westen für einige Aufregung sorgten.
Den gleichen Trick hat nun offenbar Nordkorea versucht. Am 15. April hat das Regime in Pjöngjang bei einer pompösen Militärparade gewaltige Raketen präsentiert und damit die Gerüchte um das Projekt "KN-08" befeuert. Dabei soll es sich um eine ballistische Interkontinentalrakete handeln, an der laut südkoreanischen Medien sogar schon getestet wird.
Nur: Bei den bei der Parade gezeigten Raketen handelt es sich nach Meinung deutscher Experten um Attrappen, derart schlampig zusammengesetzt, dass sie leicht als Fälschungen erkennbar seien. Für Nordkoreas neuen Machthaber Kim Jong Un wäre es die zweite Blamage in kurzer Zeit: Erst am 13. April endete ein Testflug einer Langstreckenrakete in einem Debakel.
In ihrer sechsseitigen Abhandlung analysieren der Münchner Raketen- und Militärexperte Robert Schmucker und sein Kollege Markus Schiller Fotos von der nordkoreanischen Parade. Die dort gezeigten dreistufigen Raketen könnten allein aufgrund ihrer Größe eine Reichweite von 10.000 Kilometer erreichen, heißt es in dem Papier - wenn sie denn echt wären. Doch ein näherer Blick offenbare verräterische Details:
Es sei eindeutig, dass es sich "um minderwertige Attrappen" handelt, schreiben Schmucker und Schiller. Das Fazit der Experten: "Es gibt weiterhin keinen Beweis, dass Nordkorea über eine funktionierende Interkontinentalrakete verfügt."
Ein solcher Beweis wäre freilich auch dann nicht erbracht gewesen, wenn die Nordkoreaner auf ihrer Parade eine überzeugend aussehende Rakete präsentiert hätten. Denn dass ein solches Waffensystem funktionieren könnte, gilt erst nach mindestens einem erfolgreichen Testflug als erwiesen. Und selbst dann wäre es noch ein weiter Weg bis zur Serienproduktion und zur Einführung bei den Truppen.
Dass eine gewisse Unsicherheit bleibt, räumen auch Schmucker und Schiller ein. Die Frage sei, ob die Attrappen einer echten, noch geheimen Rakete nachempfunden seien - oder ob sie nur der Show zum 100. Geburtstag von Staatsgründer Kim Il Sung gedient hätten. "Aufgrund anderer Erkenntnisse über Nordkoreas Raketenprogramm", so die Fachleute, "scheint aber das Letztere wahrscheinlich."
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Parade in Pjöngjang (15. April): Bei der pompösen Waffenschau hat Nordkoreas Regime unter anderem diese Raketen gezeigt. Es befeuerte damit die Gerüchte um das Projekt "KN-08", bei dem es sich um eine ballistische Interkontinentalrakete handeln soll. Nur handelte es sich offenbar um Attrappen, wie...
...eine Foto-Analyse zweier deutscher Experten ergab. Hier ist zu sehen, dass die Raketen anscheinend nicht auf die Startplattformen passen: Es sind breite Lücken zu erkennen. Zudem scheint die Oberfläche des Sprengkopfs aus welligem Material zu bestehen, als habe jemand eine dünne Metallschicht auf einen Drahtrahmen aufgetragen - nach Meinung der Fachmänner ein klarer Hinweis auf eine Attrappe.
Verräterische Details: Die auf der Parade gezeigten Modelle sind nicht identisch. Auf den Fotos befinden sich Kabelführungen an unterschiedlichen Positionen, Abdeckungen sind mal hierhin und mal dorthin gedreht, Kästen und andere Elemente sind an manchen Raketen vorhanden, an anderen nicht.
Parade am 15. April: Sie fand nur zwei Tage nach dem spektakulären Fehlschlag bei einem nordkoreanischen Raketentest statt.
"Unha-3": Am 13. April hat Nordkorea nach langem Tamtam einen Testflug mit der Langstreckenrakete durchgeführt. Sie kam nicht weit.
Ingenieure an der "Unha-3": Der Test wurde von westlichen Experten als Beweis interpretiert, dass Nordkorea vielleicht nie in der Lage sein wird, eine einsatzfähige Langstreckenrakete zu konstruieren.
Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un: "Die Überlegenheit bei militärischer Technologie ist nicht länger ein Monopol der Imperialisten."
Militärparade in Pjöngjang: Nordkorea gilt als am stärksten militarisiertes Land der Welt. Kein anderer Staat gibt einen ähnlich großen Anteil seines Bruttosozialprodukts für seine Streitkräfte aus.
Schweres Gerät: Die Parade anlässlich des 100. Geburstags von Staatsgründer Kim Il Sung gehört zum bizarren Personenkult um Nordkoreas Führer.