Gipfelstürmer aus dem Labor Robo-Hund auf Wanderschaft

Unbekanntes Gelände stellt Roboter vor Schwierigkeiten. Forscher aus der Schweiz haben ihr Gefährt dennoch auf eine Wanderung geschickt – und es war schneller als Durchschnittsmenschen.
Vierbeiner ANYmal wandert nahe des Etzel in der Schweiz

Vierbeiner ANYmal wandert nahe des Etzel in der Schweiz

Foto: Takahiro Miki / ETH Zurich

Eine Bergwanderung ist oft ein kleines Abenteuer – zumindest für die meisten Flachlandbewohner, die sich nur gelegentlich in die Gipfelregionen wagen.

Robotern geht es nicht anders. Normalerweise verbringen sie die meiste Zeit in Laboren und versuchen dort, komplexe Parcours zu meistern oder Salti zu schlagen. Doch nun hat ein Forscherteam um Marco Hutter von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) ihren Roboterhund ANYmal in die freie Wildbahn geschickt. Auf einer Wandertour sollte die Maschine den Gipfel des 1098 Meter hohen Etzel am südlichen Ende des Zürichsees erklimmen. Dass die Tour über steile Passagen und rutschigem Untergrund gelang, ist keineswegs selbstverständlich.

Denn Robotern geht es einerseits genauso wie Menschen, wenn sie unbekanntes Terrain meistern müssen. Auch wir tasten uns heran, wenn wir den Untergrund nicht genau einschätzen können, damit wir uns in schwierigem Gelände sicher bewegen können. Dabei kombinieren wir die Eindrücke aus der visuellen Wahrnehmung unserer Umwelt mit den Sinneseindrücken, die unsere Beine und Arme fühlen. Das tun wir übrigens ganz automatisch und meist unbewusst. Zudem lehrt uns unsere Erfahrung, welche Stellen vielleicht zu schwierig oder gefährlich sind und wie wir sie besser von vorneherein umgehen.

Aber marschierende Roboterbeine verfügen bisher nur teilweise über diese Fähigkeit. »Der Grund ist, dass die von Lasersensoren und Kameras erfassten Informationen über die unmittelbare Umgebung oft unvollständig und mehrdeutig sind«, sagt Takahiro Miki, Doktorand in Hutters Gruppe und Erstautor einer neuen Studie. Das heißt, hohes Gras, Regenpfützen oder Schnee können den Roboterkameras leicht als unüberwindbare Hindernisse erscheinen, obwohl die Maschine sie eigentlich überqueren könnte.

In den Bergen besteht zudem noch ein weiteres Risiko, dass auch erfahrene Wanderer gut kennen: Schwierige Lichtverhältnisse, Staub oder Nebel können die Sicht trüben. Während wir mit solchen Unwägbarkeiten umgehen können, stellt das den Roboter möglicherweise vor große Aufgaben. Denn er hat nun weniger Informationen über seine Umwelt zur Verfügung und nur ein unvollständiges Bild, um eine Entscheidung zu treffen.

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Der Roboter musste also lernen, die Bilder und Eindrücke zu deuten und zu priorisieren, um dann zu entscheiden, wie er den Tastsinn seiner Beine auf der Tour an welcher Stelle einsetzten will. Das gelang den Forschern mit einer neuen Steuerungstechnologie, berichten sie im Fachmagazin »Science Robotics« . Nun konnte er lernen, seine visuellen Wahrnehmungen mit seiner sogenannten Propriozeption, dem Tastsinn, zu kombinieren. Dadurch kam er vier Minuten schneller durchs Gelände, als es von einem durchschnittlichen Wanderer zu erwarten wäre. Er überwand die nötigen 120 Höhenmeter mühelos in einer 31-​minütigen Wanderung – ohne Stürze oder Fehltritte.

Erstmals sei ein Beinroboter nun in der Lage, seine Außenwahrnehmung und seine propriozeptive Wahrnehmung zu kombinieren. Dafür musste ANYmal aber zunächst ins virtuelle Trainingslager – ein System auf Basis eines neuronalen Netzes, in dem der Vierbeiner gewissermaßen im Theorieunterricht lernte, Hindernisse ideal zu überwinden und sich auf Umgebungsdaten zu verlassen. »Mit diesem Training ist der Roboter in der Lage, schwierigstes natürliches Gelände zu meistern, ohne es vorher gesehen zu haben«, zitiert eine Mitteilung ETH-Professor Hutter .

Im Gelände geht ANYmal übrigens äußerst besonnen vor. Im Zweifel setzt die Maschine auf ihren Tastsinn und ignoriert vage Sensor- oder Kameradaten. Damit ist sie der ideale Kandidat, um beispielsweise nach Erdbeben, Waldbränden oder einer Nuklearkatastrophe überall dort zum Einsatz zu kommen, wo es für Menschen zu gefährlich ist und wo andere Roboter das schwierige Gelände nicht bewältigen können. Oder als Begleiter für einsame Wanderer.

joe

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