
Automobilhersteller: Hier arbeiten Mensch und Maschine Hand in Hand
Neue Fertigungsstraßen im Autobau Mein Kollege, der Roboter
Routiniert legt der Monteur eine Schutzfolie auf die Innenseite der Autotür. Anschließend tritt er einen Schritt zur Seite und macht Platz für seinen Kollegen, einen metallisch-grauen Roboterarm. Langsam gleitet dessen Rollkopf über die Folie. Früher war das Andrücken anstrengende Handarbeit - die Türen sind mannshoch und der Druck auf die Isolierung muss konstant gehalten werden. Bei fast 2000 Türen pro Tag klagten die Mitarbeiter oft über Rückenschmerzen. Mit den neuen Roboterkollegen soll die körperliche Belastung sinken.
Seit Mitte letzten Jahres testet BMW die direkte Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter in seinem Werk in Spartanburg im US-Bundesstaat South Carolina. Kein Schutzzaun trennt Mensch und Maschine voneinander. Das Seite-an-Seite ist eine große Neuerung - und birgt Risiken.
Roboter gegen die alternde Gesellschaft
Seit 1961 der Unimate, ein Zwei-Tonnen-Ungetüm, bei General Motors zu schweißen begann, werden Roboter hinter Gittern gehalten - zum Schutz für den Menschen. "Das ist kein Zukunftsmodell", sagt Norbert Elkmann vom Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF) in Magdeburg. Seine Prognose: Industrieroboter im Käfig werden mittelfristig durch Assistenzroboter ersetzt.
Es gibt gute Argumente für die Mensch-Roboter-Kooperation. Schutzzäune verbrauchen Platz. Und sie verhindern, dass flexibel an den Produktionsstraßen gearbeitet werden kann. Profitieren soll vor allem die Endmontage. Während der Karosserie-Rohbau bereits zu 95 Prozent automatisiert ist, dominiert hier Handarbeit. Die Idee: Roboter übernehmen schwere Arbeiten mit vielen Wiederholungen. Sie setzen etwa die schwere Abgasanlage ein. Der Monteur verlegt den Kabelbaum und setzt die letzten Schrauben. Er kann Hand und Augen besser koordinieren und schnell auf neue Situationen reagieren. Das können die Roboter noch nicht.
Auch der demografische Wandel und der Fachkräftemangel sprechen für eine engere Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine. 2035 wird jeder dritte Deutsche älter als 60 Jahre sein. Die Arbeit muss trotzdem gemacht werden. Der Deal: Roboter greifen dem Menschen unter die Arme, im Gegenzug können diese länger am Band arbeiten. Gleichzeitig sinkt die Fehlerquote. Im US-Werk in Spartanburg drückt der Roboterarm die Folie mit konstanter Kraft an die Innenseite der Autotür. Sensoren überwachen jeden Arbeitsschritt. Eine Qualitätskontrolle ist nicht nötig.
Blaue Flecken werden hingenommen
Außerhalb der Modellversuche allerdings, ist die Roboter-Euphorie begrenzt. Für einen Wandel sind zu viele Fragen offen, die nach der Sicherheit ist besonders kniffelig. "Bis heute ist nicht abschließend geklärt, wie stark ein Roboter den Menschen berühren darf", sagt Elkmann. Am IFF untersuchen Forscher diese Frage an Probanden. Ihr Ergebnis: Ein blauer Fleck geht in Ordnung, bei kleinen Wunden hört der Spaß auf.
Diese Erkenntnisse sollen bei der Gestaltung von verbindlichen Sicherheitsstandards helfen. Weil die im Moment noch fehlen, zog BMW mit seinen Versuchen in die USA. Ein Roboter kann hier ohne große Formalität den Betrieb aufnehmen, in Deutschland wäre die bürokratische Hürde in Sachen Arbeitssicherheit ungleich höher. Aber auch in Spartanburg ist man vorsichtig.
Die Roboter dort bewegen sich aus Rücksicht auf den Menschen mit angezogener Handbremse. Zur Wahrnehmung ihrer Umgebung wurden die Maschinen mit Sensoren ausgestattet. Diese kontrollieren, was sich in der Umgebung bewegt, und schlagen Alarm, wenn der Sicherheitsabstand unterschritten wird.
Leichtbau zum Schutz des Menschen
Die Sicherheitstechnik soll zukünftig ausgebaut werden. In Magdeburg haben Forscher eine weiche Sensorhaut für Roboter entwickelt. Die Sensoren messen den elektrischen Widerstand, der sich beim Kontakt mit Menschen verändert. Schon Berührungen mit der Fingerspitze bemerken die Maschinen.
Andere Möglichkeiten, zu Beispiel Roboter aus leichten und nachgebenden Materialien zu fertigen, sind wenig praxistauglich. Sie sind in der Entwicklung teurer und weniger kräftig. Mit einem Stahlarm präzise zu schrauben, ist leichter als mit einem flexiblen Schlauch. Auch das Tragen von schweren Lasten ist für Leichtbauroboter nicht möglich. Deshalb werden sie eher als helfende Hand eingesetzt.
Ein Versuch dazu läuft bei Mercedes-Benz. Der 20 Kilogramm schwere Greifarm LBR iiwa unterstützt die Arbeiter in der Endmontage beim Verschrauben und Schweißen. Laut Hersteller Kuka ist der Roboter mit sieben Achsen gelenkiger als ein menschlicher Arm.
Von einem flächendeckenden Einsatz sind die Modellversuche noch weit entfernt. Die International Federation of Robotics (IFR) rechnet bis 2016 mit 95.000 neuen menschenfreundlichen Robotern in der Industrie. Im Vergleich zu den insgesamt 1,5 Millionen Industrierobotern weltweit ist das ein Nischenmarkt, aber es zeigt die Tendenz zur engeren Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine.