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Physik: Neudefinition von Stromstärke und Masse

Foto: University of Manchester

Stromstärke Graphen-Experiment könnte Ampere neu definieren

Was genau ist ein Ampere? Mit dem Wundermaterial Graphen wollen Physiker die Einheit der Stromstärke neu definieren. Die bisherige Ampere-Festlegung steht in der Kritik, weil sie schwierig umzusetzen ist.

Berlin - Die Definition der Stromstärke ist 65 Jahre alt: Man lässt Strom durch zwei Drähte fließen, die parallel zueinander verlaufen und einen Abstand von einem Meter haben. Wenn die Kraft zwischen beiden Leitern genau 2·10-7 Newton ist, beträgt die Stromstärke exakt ein Ampere. Das klingt nicht nur kompliziert - es ist es auch. Denn im Labor lässt sich dieses Experiment nur schwer umsetzen. Dabei sollten die sieben SI-Einheiten wie Meter, Sekunde und Ampere so definiert sein, dass man jederzeit ein Experiment durchführen kann, um ihre genaue Größe zu bestimmen.

Auf der Conférence Générale des Poids et Mesures (CGPM) diskutieren Forscher daher immer wieder neue Möglichkeiten zur Festlegung des Ampere. Als Favorit gelten dabei sogenannte Single-Elektronenpumpen (SEP). Amerikanische Forscher berichten nun über vielversprechende Experimente mit einer solchen Elektronenpumpe, die aus Graphen besteht. Das neue Material überwinde die Schwächen bisheriger Single-Elektronenpumpen, schreibt Malcolm Connolly von der University of Cambridge im Fachblatt "Nature Nanotechnology" .

Die Neudefinition basiert auf der Idee, die Stromstärke über die Ladung von Elektronen festzulegen. Eine Single-Elektronenpumpe emittiert Elektronen einzeln in einer genau definierten Rate. Eine gute Elektronenpumpe setzt die Elektronen in einer hohen Frequenz frei, damit ein hoher Strom erreicht wird.

Weiterer Problemfall: das Urkilogramm

Die Physiker um Connolly berichten nun über sehr gute Messergebnisse mit ihrer Single-Elektronenpumpe aus Graphen. Graphen ist ein zweidimensionales Gitter aus Kohlenstoffatomen, die darin in regelmäßigen Sechsecken angeordnet sind. Es gilt als neues Wundermaterial und könnte schon bald Silizium in Computerchips ersetzen. 2010 bekamen Andre Geim und Konstantin Novoselov den Physik-Nobelpreis für die Entdeckung und Erforschung des Materials.

Single-Elektronenpumpen aus Aluminium erreichten zwar eine hohe Präzision, schreiben die Forscher, doch sie pumpten die Elektronen mit einer zu geringen Rate, um für eine Definition des Ampere in Frage zu kommen. Die neue Pumpe aus Graphen arbeite hingegen mit einer Frequenz von fast einem Gigahertz. Die Schwäche metallischer Elektronenpumpen sei dank der einzigartigen Eigenschaften von Graphen damit überwunden. Man müsse das Material aber noch weiter optimieren und weitere Messungen durchführen, betonen die Forscher.

Nicht nur für das Ampere suchen Physiker nach einer besseren Definition. Auch was genau ein Kilogramm ist, soll neu festgelegt werden. Bis heute dient das 1889 hergestellte und seitdem in Paris aufbewahrte Urkilogramm als Referenz für die Masse. Es ist 39 Millimeter hoch und besteht aus einer Platin-Iridium-Legierung. Doch es hat in den letzten Jahren im Vergleich zu Kopien des Urkilos an Masse verloren, was Forscher jüngst auf mangelhafte Reinigungsprozeduren zurückgeführt haben.

Beim Kilogramm arbeiten Forscher parallel an zwei möglichen Neudefinitionen: der Watt-Waage und dem Avogadro-Projekt. Sollte sich die zweite Methode durchsetzen, könnte es bald heißen, dass 21,5 Quadrillionen Silizium-28-Atome ein Kilogramm sind.

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