Neue Statistik Atomwaffen werden weniger - und moderner

Friedensforscher warnen: Zwar sinkt die Zahl der weltweit stationierten Atomsprengköpfe. Doch die Arsenale werden immer moderner. Abrüstungsversprechen der Nuklearmächte seien nur Rhetorik.
Atomwaffenfähige pakistanische Shaheen-1-Rakete: "Währung für Status und Macht"

Atomwaffenfähige pakistanische Shaheen-1-Rakete: "Währung für Status und Macht"

Foto: STR/PAKISTAN/ Reuters

Stockholm - Weltweit haben acht Staaten derzeit 4400 Atomwaffen einsatzbereit, fast die Hälfte davon sogar in "erhöhter Einsatzbereitschaft". Wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri in seinem jetzt veröffentlichten Jahrbuch zur Rüstung und Abrüstung 2012 angibt, betrug die Gesamtzahl aller verfügbaren atomaren Sprengköpfe Anfang dieses Jahres 19.000.

Das sei zwar weniger als ein Jahr zuvor mit 20.530, hieß es in der schwedischen Hauptstadt. Der Verringerung der Gesamtzahl vor allem durch die USA und Russland stehe jedoch entgegen, dass alle fünf offiziell anerkannten Atommächte ihre Atomwaffensysteme entweder erneuert hätten oder dies tun wollten.

Die USA unterhalten zum Beispiel ein "Life Extension Program" (LEP), ein Programm zur Verlängerung der Lebensdauer ihrer Atomwaffen. In diesem Rahmen sollen auch die in Deutschland stationierten B-61-Bomben modernisiert werden. Die dem US-Energieministerium unterstellte National Nuclear Security Administration (NNSA) will alternde Komponenten aufmöbeln, neue Sicherheitsvorrichtungen sowie neue Zünder einbauen und zugleich die gesamte Konstruktion verbessern. Die Kosten für das Programm haben sich bereits verdreifacht - auf aktuell sechs Milliarden Euro.

Weltweite Bestände an Atomwaffen (2012)

Staat Einsatzbereite Atomsprengköpfe Weitere Atomsprengköpfe Summe 2012 Summe 2011
USA 2150 5850 8000 8500
Russia 1800 8200 10.000 11.000
UK 160 65 225 225
France 290 10 300 300
China - 200 240 240
India - 80-100 80-100 80-100
Pakistan - 90-110 90-110 90-110
Israel - 80 80 80
Total 4400 14.600 19.000 20.530
Quelle: Sipri Jahrbuch 2012

Neben den USA und Russland gehören auch China, Frankreich und Großbritannien zum Kreis der offiziellen Atommächte. Die Forscher lobten, dass die USA, Großbritannien und Frankreich kürzlich wichtige Informationen zu ihren Waffenarsenalen veröffentlicht hätten. In Russland sei das Maß der Transparenz dagegen zurückgegangen. Auch China sein weiterhin höchst zurückhaltend mit Informationen. In jedem Fall folgern die Forscher: "Diese Staaten wollen ihre Atomwaffenarsenale offenbar auf unbegrenzte Zeit behalten."

Zu den offiziellen kommen noch die inoffiziellen Atommächte. Hier sind Informationen besonders schwer zu bekommen, weil die Staaten nicht Mitglieder des Atomwaffensperrvertrags sind. Die Stockholmer Experten vermuten 80-110 nukleare Sprengköpfe in Indien, 90-110 in Pakistan sowie 80 in Israel. Indien und Pakistan sind nach den Sipri-Angaben sowohl dabei, neue Trägersysteme zu entwickeln wie auch ihre Kapazität zur Produktion von spaltbarem Material für militärische Zwecke zu erhöhen. Die indische Militärdoktrin untersage den Ersteinsatz von Atomwaffen, Pakistan habe sich solch eine Begrenzung dagegen nicht auferlegt. Nach SPIEGEL-Informationen rüstet Israel U-Boote mit atomar bestückbaren Marschflugkörpern aus. "Die Deutschen können stolz darauf sein, die Existenz des Staates Israel für viele Jahre gesichert zu haben", sagte der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak dem Magazin.

Im Fall von Nordkorea ließen sich keine Angaben zur Zahl der Atomwaffen machen, so die Sipri-Experten. Man vermute aber, dass das Land über 30 Kilogramm Plutonium verfüge, ausreichend für bis zu acht Sprengköpfe.

Das Fazit des zuständigen Sipri-Mitarbeiters Shannon Kile fällt wenig hoffnungsfroh aus: "Die Atommächte zeigen bis jetzt nur rhetorisch Willen zur Aufgabe ihrer Waffenarsenale." Vor allem deren laufende Modernisierung zeige, dass "Atomwaffen nach wie vor eine harte Währung für internationalen Status und Macht sind".

chs/dpa
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren