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"Solar Impulse 2": Sonnenflieger am Boden

Foto: HUGH GENTRY/ REUTERS
Christoph Seidler

"Solar Impulse 2" Mit Sonnenkraft nach Mallorca? Niemals!

Wegen technischer Probleme muss der Sonnenflieger "Solar Impulse 2" seine Reise um die Welt für ein halbes Jahr unterbrechen. Zeit für eine Denkpause, denn die Solartechnik allein wird die Luftfahrt nicht umweltfreundlicher machen.

Im Flugzeug um die Welt - ohne einen Tropfen Sprit. Mehr als zehn Jahre haben die Schweizer André Borschberg und Bertrand Piccard zusammen mit ihren Unterstützern an dieser Vision gearbeitet. Jetzt bleibt ihr Sonnenflieger erst einmal am Boden: Beim fünf Tage und fünf Nächte langen Rekordflug von Japan nach Hawaii sind die Batterien von "Solar Impulse" überhitzt worden. Erst im kommenden Frühjahr kann die Reise um die Welt nun weitergehen.

Knapp die Hälfte der Strecke ist geschafft - und die ambitionierten Piloten und ihre Helfer werden nach den Reparaturen gewiss auch die andere Hälfte gut über die Bühne bringen. Doch bei aller Begeisterung für das Projekt darf man nicht vergessen: "Solar Impulse" wird ein Exot ohne größere praktische Relevanz bleiben. Technisch faszinierend - aber eben nicht alltagstauglich.

Die Flugzeugbauer Airbus und Boeing schätzen, dass in den kommenden 20 Jahren weit über 30.000 größere Flugzeuge verkauft werden. Die Zahl der Passagiere, so die Statistiker weiter, verdoppelt sich alle 15 Jahre. Vor allem in Schwellenländern mit wachsender Mittelschicht werden Milliarden von Menschen den Reiz des Fliegens entdecken. Und wohl niemand von ihnen wird in einem Solarflugzeug sitzen.

Foto: SPIEGEL ONLINE

Dafür gibt es zwei Hauptgründe. Der erste ist geschäftlicher Natur: Im Flugzeugbau sind in den kommenden 20 Jahren keine Revolutionen zu erwarten. Weil die Firmen sie nicht versuchen. Nicht versuchen können, um genau zu sein. Das wirtschaftliche Risiko erscheint ihnen und ihren Aktionären zu groß: Einen Jet ganz neu zu designen, kostet viele Milliarden - bei sehr unsicheren Erfolgsaussichten. Das hat man bei Airbus etwa beim A380 schmerzvoll lernen müssen. Der Super-Jumbo ist mit riesigem Aufwand entwickelt worden, hat am Markt aber nicht viel gerissen.

Mittlerweile ist klar: Die größten Wachstumspotenziale gibt es bei vergleichsweise kleinen Flugzeugen mit nur einem Mittelgang wie dem A320 oder der Boeing 737 - und nicht bei Riesenfliegern. Das hat auch damit zu tun, dass Fluggesellschaften solche Maschinen flexibler einsetzen können, um Passagiere ohne Umsteigen von A nach B zu bringen. Die Hersteller werden in Zukunft also den großen Wurf scheuen. Sie werden ihre existierenden Jets optimieren - mit durchaus beeindruckenden Ergebnissen zum Beispiel beim Spritverbrauch und auch beim Lärm. Aber sie werden auf lange Sicht keine grundlegend neuen Konstruktionen ausprobieren.

Der zweite Grund, warum "Solar Impulse" keinen nachhaltigen Einfluss auf den Flugzeugbau haben wird, hat mit der Physik zu tun - und die ist ungnädig: Die Energiedichte von Batterien ist dramatisch niedriger als die von Kerosin. Kurz gesprochen bedeutet das: Ein Solarflugzeug wird nie viel mehr als den Piloten und ein Gebirge von Akkus durch die Luft transportieren können.

Das heißt nicht, dass es nicht stromgetriebene Flugzeuge auf Kurzstrecken geben wird. Der von der Universität Stuttgart entwickelte "e-Genius" hat gerade 320 Kilometer über die Alpen zurückgelegt. Und Airbus will den kleinen Elektroflieger E-Fan in Serie bauen. Darin können zwei, womöglich auch einmal vier Passagiere - wenn es richtig gut läuft - knapp 200 Kilometer weit fliegen. Und sind dabei ungefähr so schnell unterwegs wie mit einem PKW auf der Autobahn. Das ist bestenfalls als exklusives Männerspielzeug oder für Nischenmärkte interessant.

Man muss fair sein: Die Solarpiloten Borschberg und Piccard haben nie versprochen, dass ihr Sonnenflieger die Luftfahrt revolutionieren und grüner machen wird. Sie haben ihn als Vehikel verstanden, die Menschheit für saubere Technologien zu begeistern. Das ist ihnen auf faszinierende Art gelungen.

Jetzt sind aber nicht nur die Techniker am Zug. Vor allem müssen sich die Fluggesellschaften zu ihrer Verantwortung bekennen. Es braucht endlich Regeln, wie der Treibhausgas-Ausstoß von Flugzeugen international behandelt werden soll. Bisher ist er in keinem Klimaschutzregime erfasst. Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO verhandelt seit einiger Zeit über diese Frage - noch ohne Ergebnis.

Nun macht ausgerechnet die US-Umweltbehörde EPA Druck: Bis kommenden Februar, ließ sie Anfang des Monats wissen, müsse ein globaler Deal her, sonst würden die Vereinigten Staaten die Sache selbst in die Hand nehmen. Solche Regeln - viel besser noch ein globales Abkommen - würden für die Umwelt in jedem Fall deutlich mehr bringen als jeder Solarflieger.

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