Bruch in zwei Teile
Forscher lösen legendäres Spaghetti-Rätsel
Haben Sie mal versucht, einen trockenen Spaghetto in zwei Teile zu brechen und dabei nur die beiden Enden anzufassen? Es wird nicht funktionieren - es sei denn, Sie kennen einen Trick.
Es geht um ein einfaches Experiment: Man nehme einen trockenen Spaghetto, halte ihn an beiden Enden fest und biege ihn, bis er bricht. Wie viele Nudelteile entstehen dabei? Auf die Frage sind viele Antworten möglich, nur eine nicht: zwei. Bislang gab es niemanden, der einen Spaghetto auf die beschriebene Weise in nur zwei Stücke brechen konnte.
Dass diese scheinbar simple Aufgabe so schwer zu lösen ist, fasziniert Wissenschaftler seit Jahrzehnten. So soll etwa der bereits 1988 verstorbene Physik-Nobelpreisträger Richard Feynman in jungen Jahren einen ganzen Abend damit verbracht haben, Spaghetti zu zerbrechen und zu erklären, warum sie nie in zwei Teile zerbröselten. Ohne Erfolg.
Erst 2005 wurde dieses Rätsel gelöst. Wissenschaftler aus Frankreich fanden damals heraus, dass ein dünner Stab, der von beiden Seiten gleichmäßig gebogen wird, immer zuerst ungefähr in der Mitte bricht - dort, wo die Biegung am stärksten ist. Durch diesen ersten Bruch schnellt die gebogenen Nudel zurück. Dabei breiten sich Kräfte wie eine Welle im Stab aus, sodass dieser an weiteren Stellen zerbricht (siehe Gif). Für diese Erkenntnis gab es 2006 immerhin den Ig-Nobelpreis für kuriose Forschung.
ANZEIGE
Foto: MIT
Drehen löst das Problem
Eine Frage blieb allerdings offen: Können Spaghetti unter bestimmten Umständen doch in zwei Teile zerbrechen? Die Antwort lautet Ja, berichten nun Forscher des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge im Fachmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences".
Der Trick besteht demnach darin, die Nudeln in sich zu verdrehen. An Hunderten Spaghetti testeten die Wissenschaftler den richtigen Grad der Biegung und Verdrillung. Dazu entwickelten sie eigens einen Apparat, mit dem sie die Biegung und Drehung der Nudel genau steuern konnten.
Versuchsanordnung
Foto: MIT
Das Ergebnis: Soll der Spaghetto in nur zwei Stücke brechen, muss man ihn um fast 360 Grad verdrehen, bevor man die beiden Enden vorsichtig zusammenführt. Das funktionierte zumindest bei den unterschiedlich dicken Spaghetti-Sorten Barilla No. 5 and Barilla No. 7.
ANZEIGE
"Dreh-Welle" klaut "Bruch-Welle" die Energie
Parallel untersuchte einer der Forscher das Spaghetti-Problem auch theoretisch, um so herauszufinden, warum die Drehung zusätzliche Bruchstellen verhindert. Als Grundlage diente die mit dem Ig-Nobelpreis ausgezeichnete Arbeit aus 2005. Dass in sich verdrehte Spaghetti nur in zwei Stücke zerbrechen, liegt demnach vor allem an zwei Effekten:
Die verdrehte Nudel schnellt nach dem ersten Bruch nicht so schnell zurück, sodass die "Bruch-Welle" nicht so stark ist.
Wenn sich der Stab nach dem ersten Bruch aus der Windung löst, wird Energie frei, die weitere Brüche verhindert.
"Wenn die Nudel bricht, schlackert der Stab weiterhin hin und her, denn eigentlich will er zurück in eine gerade Position", erklärt Jörn Dunkel. "Gleichzeitig möchte der Stab aber auch nicht weiter verdreht sein und löst sich aus dieser Haltung."
In dem Moment, in dem die "Bruch-Welle" durch das Hin- und Herschwingen des Stabs entsteht, bildet sich so zusätzlich eine "Dreh-Welle", mit der sich die Nudel aus der Verdrillung löst. Diese "Dreh-Welle" ist schneller als die "Bruch-Welle" und nutzt deren Energie. "Deshalb entsteht kein zweiter Bruch, wenn man die Nudel fest genug verdreht", so Dunkel (siehe Gif oben).
Das Spaghetti-Rätsel ist damit gelöst, aber es gibt ja noch andere Nudeln. "Linguine verhalten sich anders", sagt Dunkel. Mal sehen, wie lange es dauert, auch dieses Rätsel zu lösen.