Atomausstieg Umweltministerin Schulze will umstrittene Brennelemente-Exporte verbieten

Eine Fabrik in Lingen beliefert umstrittene Atomkraftwerke wie Tihange und Doel in Belgien mit Brennelementen. Das Umweltministerium billigte die Exporte lange. Nun schwenkt die Behörde offenbar um.
Mitarbeiter der Brennelemente-Produktion in Lingen

Mitarbeiter der Brennelemente-Produktion in Lingen

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Friso Gentsch/ DPA

Der Export von Brennelementen für ältere Atomkraftwerke im Ausland soll nach dem Willen von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) verboten werden. Das geht aus einem Arbeitsentwurf aus Schulzes Ministerium zur Änderung des Atomgesetzes hervor, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Demnach soll es keine Genehmigungen mehr für den Export geben, wenn ein AKW weniger als 150 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt steht und vor 1989 in Betrieb gegangen ist - Lieferungen zum Beispiel an die umstrittenen Atomkraftwerke Tihange und Doel in Belgien sowie nach Cattenom in Frankreich wären damit nicht mehr erlaubt.

Exporte aus der Brennelementefabrik Lingen an Risikokernkraftwerke in der deutschen Nachbarschaft zu verhindern, ist seit Langem eine Forderung von Atomkraftkritikern. Auch die Bundesländer Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, das Saarland und Rheinland-Pfalz hatten dazu Anfang des Jahres einen gemeinsamen Antrag im Bundesrat gestellt.

Deutschland hat zwar den Ausstieg aus der Atomkraft bis Ende 2022 beschlossen, das umfasst aber nicht die Urananreicherungsanlage Gronau im Münsterland und die Brennelementefabrik in Lingen im Emsland. Die Ausfuhrgenehmigungen für die Brennelemente erteilt das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), die Fachaufsicht liegt beim Bundesumweltministerium.

Bisher hatte das Ministerium argumentiert, dass es europarechtlich gar nicht möglich sei, die Exporte allein unter Hinweis auf Zweifel an der Sicherheit ausländischer Atomkraftwerke zu verbieten - zu diesem Ergebnis war ein Rechtsgutachten gekommen, das noch unter Schulzes Vorgängerin Barbara Hendricks (SPD) in Auftrag gegeben worden war. Andere Gutachten kamen jedoch zu einem anderen Schluss. Diesen scheint das Ministerium nun folgen zu wollen.

In dem Arbeitsentwurf heißt es zur Begründung des geplanten Verbots, Kernkraftwerke bergen "das Risiko schwerer Unfälle, Störfälle oder sonstiger für die kerntechnische Sicherheit bedeutsamer Ereignisse mit möglicher katastrophaler Auswirkung". Solche Auswirkungen seien "auch grenzüberschreitend".

Ziel des Verbots sei daher die "Abwendung möglicher radiologischer Risiken für die in Deutschland lebende Bevölkerung". Die Regelungen seien "geeignet und erforderlich", um das Ziel zu erreichen, "das mit der Nutzung der Kernenergie verbundene Restrisiko zu minimieren". Die 150 Kilometer ergeben sich dem Entwurf zufolge aus der in Empfehlungen zum Katastrophenschutz definierten Außenzone von hundert Kilometern Radius um ein AKW. Dazu sei ein pauschaler Aufschlag von 50 Prozent einbezogen worden.

Hunderte Zwischenfälle nicht gemeldet

Für eine detaillierte Bewertung fehlten den Behörden in Deutschland die Daten. Das Jahr 1989 sei gewählt worden, weil zwar vom Alter eines AKW nicht auf dessen Sicherheitszustand geschlossen werden könne, aber "Kernkraftwerke dieses Alters ein veraltetes Anlagendesign und eine Komponentenalterung und damit ein erhöhtes Risiko aufweisen.

Im Kernkraftwerk Tihange hatte es immer wieder Schäden und Störungen gegeben. Auch das AKW Doel gilt unter manchen Experten als Sicherheitsrisiko. In den Anlagen sollen Hunderte Zwischenfälle nicht gemeldet worden sein. Doel geriet 2014 außerdem in die Schlagzeilen, weil ein oder mehrere Unbekannte in einem Block des Meilers offenbar gezielt das Ölventil einer Turbine geöffnet hatten, woraufhin sich der Reaktor abschaltete. (Mehr dazu lesen Sie hier.)

Wegen Exporten nach Russland steht auch die Urananreicherungsanlage Gronau im Münsterland in der Kritik. Zuletzt war bekannt geworden, dass von dort wieder Atommüll nach Russland gebracht werden soll. Das Werk in Gronau ist die einzige kommerzielle Urananreicherungsanlage in Deutschland. Wegen des beschlossenen Atomausstiegs sorgte die weiterlaufende Produktion dort für Ärger in der Koalition.

joe/dpa
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