Terrorabwehr Detektor scannt Menschenmassen nach Bomben

Metro in Paris: Als erstes Einsatzgebiet für "elektronische Spürnase" im Gespräch
Foto: CHARLES PLATIAU/ REUTERSNachdem zwei Selbstmordattentäterinnen Ende März 2010 40 Menschen in der Moskauer Metro in den Tod rissen, rüstet Russlands Terrorabwehr auf: Seit Ende der vergangenen Woche ziehen russische Sicherheitskräfte an der Metro-Station Ochotnij Rjad, nur wenige hundert Meter vom Kreml entfernt, diskret verdächtige Personen zur Seite. Russland hat dort die erste Hightech-Sicherheitsschleuse in der U-Bahn der Zehn-Millionen-Metropole in Dienst gestellt, Nacktscanner inklusive. Der Hersteller preist im Internet seinen "Homo-Scan" als effektives Mittel für den "Nachweis von Sprengstoffen, Drogen und Waffen" an.
Die Sicherheit der Passagiere erhöht das nur bedingt: das 2 Meter lange und 2,6 Meter hohe Monstrum ist kaum für die Massenabfertigung der Moskauer Metro geeignet, die täglich neun Millionen Passagiere transportiert. "Wir schaffen gerade einmal ein paar Dutzend Stichproben", seufzt ein Polizist an der U-Bahn-Station. Er muss sich weiter darauf verlassen, Terrorverdächtige mit geübtem Auge zu erkennen.
In wenigen Jahren aber plant der Kreml das Problem behoben zu haben, mit Hilfe der Nato. Unter dem Projektnahmen "Standex" (Stand-off Detection of Explosives) treiben die Allianz und der ehemalige Rivale aus der Zeit des Kalten Krieges die Entwicklung einer neuartigen Detektor-Generation voran. Anders als herkömmliche Metalldetektoren soll Standex ohne auffällige Sicherheitsschleuse operieren und Menschenmengen auf Sprengstoffe scannen, ohne den Passagierfluss zu stoppen.
Kaum zu erkennen
An dem Projekt sind neben Forschern des russischen Chlopin-Instituts in Sankt Petersburg auch Wissenschaftler aus mehreren Nato-Staaten beteiligt, unter ihnen Mitarbeiter des deutschen Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie (ICT) in Pfinztal. Die Standex-Sensoren sollen auf Basis von Lasertechnik und Millimeterwellen operieren.
Anders als bisherige Sicherheitsschleusen an Flughäfen und in anderen gefährdeten Gebäuden sollen die Standex-Scanner für Außenstehende kaum zu erkennen sein. So soll vermieden werden, dass Attentäter versuchen, gut sichtbare Sicherheitskontrollen zu umgehen oder ihre Bomben vor einem Checkpoint zünden, etwa in einer wartenden Menschenmenge.
Neben Deutschland und Russland beteiligen sich auch Frankreich, die Niederlande und die Türkei an der Entwicklung der "elektronischen Spürnase". Die Projektkosten bewegen sich im einstelligen Millionenbereich. Die Nato mag die Existenz des Projektes offiziell nicht bestätigen. Russische Kreise berichten dagegen, die Standex-Sensoren sollten noch in diesem Jahr bei ersten Tests erprobt werden. Als erstes Einsatzfeld ist die U-Bahn in Paris im Gespräch.
"Das ist ein Schlüsselprojekt in der Kooperation zwischen der Nato und Russland", sagt ein mit dem Vorhaben vertrauter, hochrangiger russischer Diplomat. "Durch Standex würden wir die Bewegungsfreiheit von Terroristen deutlich einschränken."
Russland hofft, ebenso wie die Allianz, auf einen schnellen Durchbruch in der Forschung, um die gefährdete Transportinfrastruktur zu schützen. Zuletzt sprengte sich ein Selbstmordattentäter Ende Januar am Moskauer Flughafen Domodedowo in die Luft und tötete 37 Menschen, darunter auch einen Deutschen. Laut russischen Angaben soll die Entwicklung der "elektronischen Spürnase" in knapp drei Jahren abgeschlossen sein.
Standex könnte dann pünktlich zur Winterolympiade 2014 einsatzbereit sein. Die Spiele werden von Russland in der Schwarzmeerstadt Sotschi ausgerichtet - nur wenige Kilometer entfernt von Russlands Unruheregion Nordkaukasus.