Großprojekt in Brandenburg Die Angst vor Teslas Giga-Fabrik

Elon Musk will Grünheide zu einer von weltweit vier Produktionsstätten seiner Tesla-Autos machen. Kritiker monieren die Rodung großer Waldflächen, Anwohner fürchten um ihr Trinkwasser. Was ist da dran?
In diesem Waldgebiet soll die Gigafactory entstehen.

In diesem Waldgebiet soll die Gigafactory entstehen.

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Sean Gallup/ Getty Images

Die Antragsunterlagen für die Gigafactory in Brandenburg füllen etwa 2000 Seiten, sauber eingeheftet in blauen Ordnern. Auf ihrem Rücken prangt Teslas Firmenlogo. Die Dokumente beschreiben, wie der US-Konzern die 8600-Einwohner-Gemeinde Grünheide unweit von Berlin in eine Liga katapultieren will mit Produktionsstätten in Shanghai, Buffalo und Nevada.

Schon ab Sommer 2021 will Tesla in Grünheide Elektroautos der Typen Model 3 und Y bauen , zunächst etwa 150.000 Fahrzeuge pro Jahr. Irgendwann sollen es bis zu 500.000 werden. Kritiker hielten das Projekt zunächst für einen PR-Stunt, doch der Kaufvertrag für das Grundstück ist mittlerweile unterschrieben und notariell beurkundet.

Tesla made in Brandenburg

Akkus, Motoren, Elektroautos: Made in Brandenburg. "Wenn alles klappt", freut sich Ministerpräsident Dietmar Woidke, "dann entsteht in Grünheide eine Geschichte, von der ganz Brandenburg profitieren wird."

Das sehen allerdings nicht alle so. Ende Januar demonstrierten etwa 200 Menschen gegen das Bauprojekt. "Keine Großfabrik im Wald" und "Geheim verhandelt - Umwelt verschandelt", war auf Protestplakaten zu lesen.

Streitpunkt Wald

Ende Januar schaltete sich Elon Musk in die Diskussion ein: "Es klingt danach, dass wir einige Dinge klarstellen müssen", schrieb er bei Twitter. Auf dem Gelände gebe es keinen natürlichen Wald. Die Bäume seien einstmals lediglich für die Kartonherstellung angepflanzt worden, außerdem solle nur ein kleiner Teil abgeholzt werden. Kein Grund zur Sorge also?

Tatsächlich besteht der Wald, in dem die Tesla-Fabrik stehen soll, zu 90 Prozent aus Kiefern. Insgesamt muss eine Fläche von 154 Hektar gerodet werden, der Wald drumherum ist 60-mal so groß.

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Allerdings ist der Wald, der der Tesla-Fabrik weichen müsste, ökologisch nicht ganz so wertlos, wie die Worte Musks nahelegen.

Laut der Umweltverträglichkeitsprüfung , mit der jedes Großprojekt in der EU auf seine möglichen Umweltschäden abgeklopft wird, speichern die Bäume im Bebauungsgebiet 300.000 Tonnen CO2. Zum Vergleich: Jeder Mensch in Deutschland verursacht statistisch betrachtet pro Jahr 8,9 Tonnen CO2. Werden die Bäume gefällt, geht dieser CO2-Puffer verloren. Zudem sind einige Teile als Erholungswald ausgewiesen.

Tesla darf den Wald jedoch nicht einfach abholzen. Per Gesetz muss jeder, der in Brandenburg Wald roden will, mindestens eine gleich große Fläche neu aufforsten. Das gilt auch für Multimilliardär Musk. Statt Mono-Kieferkulturen werden naturnahe Laubmischwälder gepflanzt, was langfristig für ein gesünderes Ökosystem und mehr Artenvielfalt sorgt.

Allerdings gab es Probleme, eine zusammenhängende, 154 Hektar große Fläche für die Aufforstung zu finden. Deshalb werden nun mehrere kleine Waldstücke entstehen, 49 Standorte sind im Gespräch.

Weil viele der Bäume, die für die Gigafactory gefällt werden sollen, in einem Wasserschutzgebiet liegen und einige Flächen als ökologisch wertvolle Bestände gelten, müssen weitere 114 Hektar durch sogenannte Waldumbaumaßnahmen ersetzt werden. Zum Beispiel, indem neue Laubbäume in bestehende Kiefer-Monokulturen gepflanzt werden.

Ameisen werden umgesiedelt

Bevor ein Wald gerodet werden darf, muss auch geprüft werden, ob geschützte Tierarten in dem Gebiet leben. Im Fall der Gigafactory ist Tesla beispielsweise verpflichtet, einen sechs Kilometer langen Schutzzaun für Reptilien aufzustellen, vier Nester von Waldameisen müssen eingesammelt und umgesiedelt werden, Jagdhunde sollen bis Ende Februar alle Wölfe vertreiben, die sich vielleicht in dem Gebiet aufhalten.

Fazit: Langfristig wird durch die Gigafactory mehr Waldfläche entstehen. Aber das dauert. Bis ein funktionierendes Waldökosystem herangewachsen ist, vergehen Jahrzehnte. Tesla hat versprochen, mehr als nur die gesetzlich vorgeschriebene Waldfläche aufzuforsten und will ein Areal bepflanzen, das dreimal so groß ist wie der Wald, der für die Gigafactory abgeholzt werden muss. An diesem Versprechen wird sich Musk messen lassen müssen.

Streitpunkt Wasser

Tesla hat für die Gigafactory einen Wasserbedarf von bis zu 372.000 Litern pro Stunde angemeldet. Laut dem örtlichen Wasserversorger Strausberg-Erkner (WSE) entspricht das dem Wasserbedarf von 71.500 Menschen.

Wer nachfragt, wofür der Konzern das viele Wasser braucht, wird auf die Umweltverträglichkeitsprüfung verwiesen. Laut der benötigt das Presswerk ebenso Wasser wie die Lackiererei, die Batteriefertigung, die Kühltürme und die Toilettenspülung. Falls es brennt, muss außerdem ausreichend Löschwasser zur Verfügung stehen.

Angenommen, die Produktion läuft Tag und Nacht, würde das Werk pro Jahr im Extremfall bis zu 3,3 Milliarden Liter Wasser benötigen. Zum Vergleich: Der Frischwasserverbrauch vom VW-Werk in Wolfsburg lag 2017 bei 1,6 Milliarden Litern. Im selben Jahr wurden dort 790.000 Autos montiert.

Aktuell darf nicht so viel Trinkwasser gefördert werden, wie Tesla bräuchte

Laut Musk sind die 372.000 Liter pro Stunde aber nur ein seltener Spitzenwert, der nicht jeden Tag erreicht werde. Wie viel Wasser die Gigafactory im Schnitt verbrauchen wird, sagte er allerdings nicht.

"Weil im Antrag 372.000 Liter Wasser pro Stunde angegeben werden, müssen wir auch von diesem Wert ausgehen", sagte Sandra Ponesky vom WSE dem SPIEGEL. Der örtliche Wasserversorger rechnet damit, dass der Bedarf an Trinkwasser durch die Gigafactory bis 2021 auf 18,2 Milliarden Liter pro Jahr ansteigen wird. Aktuell dürfen dem Grundwasserreservoir aber nur 10,9 Milliarden Liter entnommen werden.

"Gegenwärtig kann weder die Trinkwasserversorgung noch die Schmutzwasserentsorgung in dem von Tesla gewünschten Zeitrahmen gewährleistet werden", warnte der WSE Mitte Januar . Bei einigen schürte das die Angst, wegen der Gigafactory hätten Anwohner bald nichts mehr zu trinken.

Tatsächlich ist es nicht verwunderlich, dass ein regionaler Wasserverband nicht mal eben eine Fabrik versorgen kann, die bis zu 500.000 Autos im Jahr produzieren soll. Unmöglich ist es jedoch nicht.

Dafür müsste allerdings die erlaubte Förderkapazität für Grundwasser deutlich erhöht und bestehende Wasserwerke ausgebaut werden. Um der Abwassermassen aus dem Tesla-Werk Herr zu werden, ist außerdem eine neue Abwasserleitung im Gespräch.

Über solche Maßnahmen entscheidet das Landesumweltamt. In der Vergangenheit zogen sich die Genehmigungsprozesse teilweise über Jahre hin. Bei Tesla müsste alles viel schneller gehen, schon im kommenden Jahr sollen die ersten Autos montiert werden. Deshalb macht der WSE nun Druck.

Umweltministerium: Thema Wasserversorgung wird gelöst

In den vergangenen Wochen kursierte die Behauptung, das Tesla-Werk gefährde per se die Trinkwasserversorgung. Das könnte laut dem WSE aber nur passieren, wenn Tesla wie in der Umweltverträglichkeitsprüfung angedeutet, einen eigenen Brunnen auf dem Firmengelände anlegt. Laut der Staatskanzlei Brandenburg wurde bisher jedoch keine eigene wasserrechtliche Erlaubnis für eine Grundwasserentnahme beantragt. Wie die von Tesla beantragten Wassermengen beschafft werden sollen, lässt sich bislang also noch nicht sagen.

Auch die Tatsache, dass das geplante Tesla-Werk in einer Trinkwasserschutzzone liegt, hatte für Aufregung gesorgt. In solchen Gebieten Industrieanlagen zu bauen, ist jedoch nicht verboten. Es können aber Schutzmaßnahmen vorgeschrieben werden. Bei dem Tesla-Werk müssten beispielsweise doppelwandige Rohrleitungen verlegt werden.

Das Umweltministerium wollte sich auf Anfrage nicht näher zur Trinkwassersituation äußern und verwies auf das laufende Genehmigungsverfahren. "Wir sind zuversichtlich, dass wir die Herausforderungen lösen können."

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