Teure Meiler Atomausstieg kommt wohl auch in USA

US-Atomkraftwerke haben laut einer Studie keine Zukunft - ausgerechnet im Land Donald Trumps ist die Kernenergie langfristig am Ende. Für das Klima keine gute Nachricht.
AKW North Anna in Mineral, Virginia

AKW North Anna in Mineral, Virginia

Foto: Steve Helber/ AP

In Deutschland hat die Kernenergie schon lange keine Zukunft mehr. Viele Menschen fürchten sich vor dem Super-GAU - der Atomausstieg ist längst beschlossen. Doch selbst in den USA, wo Kernenergie viel weniger kritisch gesehen wird, hat die Technologie langfristig offenbar ausgedient, wie eine neue Studie zeigt.

Granger Morgan von der Carnegie Mellon University und seine Kollegen haben das Potenzial der Atomenergie in den USA für die kommenden Jahrzehnte untersucht - und kommen zu einem negativen Ergebnis: Die mehr als 50 Atomkraftwerke seien alt und teuer im Betrieb. Weil zugleich Strom aus Wind und Sonne immer günstiger werde und Erdgas billig bleibe, rechne sich der Betrieb der Meiler nicht mehr.

Bedeutung der Atomkraft sinkt

Bereits jetzt würden besonders alte Meiler in den USA vom Netz genommen. Ein Ersatz der verloren gegangenen Kapazität durch den Neubau von Atomkraftwerken sei nicht in Sicht.

Auf lange Sicht steigen die USA also aus der Atomkraft aus, wenn sich die Prognose bewahrheitet. Allerdings nicht, weil die Technologie wie in Deutschland zu viele Gegner hat, sondern aus Kostengründen.

Diese Einschätzung gelte nicht nur für die USA, wo Atomkraft etwa 20 Prozent des Stroms liefert, schreiben die Forscher im Fachblatt "Proceedings of the National Academy of Sciences" . Die Bedeutung der Atomkraft schwinde wahrscheinlich weltweit bis auf wenige Ausnahmen wie China.

Neubauten gestoppt

Das Ziel einer Dekarbonisierung der Wirtschaft - also des Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen - sei deshalb umso schwerer zu erreichen, schreiben die Wissenschaftler. Man sei dabei, "einen der vielversprechendsten Kandidaten" für eine CO2-arme Energieerzeugung im Laufe der kommenden Jahrzehnte zu verlieren.

Wie schlecht es um die Perspektive der Atomkraft in den USA bestellt ist, zeigt ein Blick auf die in den vergangenen Jahren gescheiterten Neubauprojekte: In South Carolina sollten zwei neue Meiler im Kraftwerk Virgil C. Summer errichtet werden. Als der Bau zu 40 Prozent fertiggestellt war und bereits neun Milliarden US-Dollar ausgegeben, wurde das Vorhaben aufgegeben. Auch ein Neubauprojekt in Florida wurde verworfen.

Fraglich ist auch, ob jemals zwei neue Meiler im AKW Vogtle (Georgia) errichtet werden. Die Kosten wurden zuletzt auf 25 Milliarden Dollar beziffert, weitere Steigerungen gelten als wahrscheinlich.

Es seien vor allem die hohen Investitionen, verbunden mit der Unsicherheit über künftige Energiepreise, die Neubauten unrentabel machten. Chancen habe die Atomkraft nur dann, wenn beispielsweise feststünde, dass in den kommenden zehn Jahren eine CO2-Steuer von mindestens hundert Dollar pro Tonne eingeführt würde, konstatieren die Wissenschaftler.

Nötig seien zudem staatliche Investitionen in die Entwicklung neuer Generationen von Atomkraftwerken, um die vergleichsweise hohen Kosten der aktuell genutzten Reaktoren zu unterbieten. Außerdem müsse die US-Atomaufsicht ihre Abläufe dramatisch beschleunigen, damit Neubauprojekte überhaupt eine Chance hätten.

Weltweit leichter Anstieg

Die Autoren glauben jedoch selbst nicht daran, dass sich die Situation der Atomenergie in ihrem Land in den kommenden Jahren substanziell ändert. Es sei unwahrscheinlich, dass in den kommenden Jahrzehnten überhaupt ein großes Atomkraftwerk neu errichtet werde.

Global gesehen dürfte die absolute Menge an Atomstrom in den kommenden Jahrzehnten trotzdem leicht steigen - so zumindest die Prognose des "World Energy Outlook 2017"  der Internationalen Energie-Agentur. Das liegt vor allem an den vielen neu errichteten Meilern in China. Der globale Zuwachs bei den erneuerbaren Energien und auch bei Erdgas ist jedoch um ein Vielfaches höher. Relativ gesehen sinkt der Anteil der Atomenergie daher.

Bei Greenpeace teilt man die Einschätzung der Autoren der neuen AKW-Studie aus den USA. Die Atomenergie sei rückläufig und könne auch zukünftig keinen relevanten Beitrag zur Senkung des CO2-Ausstoßes leisten, sagte Heinz Smital, Experte für Atomenergie.

Strom aus Atomkraftwerken sei nicht wettbewerbsfähig. "Das heißt aber nicht, dass Atomenergie ganz verschwinden wird", so der Greenpeace-Experte. Großbritannien etwa werde neue Atomkraftwerke um jeden Preis bauen, auch wenn es für die Bevölkerung ein klares Minusgeschäft sei und eine verlässliche Energieversorgung sich ohne Atomenergie schneller, einfacher und billiger aufbauen ließe. Das Land brauche eine nukleare Infrastruktur inklusive Fachkräften und Fachfirmen für den Neubau von atomgetriebenen U-Booten. "Es wäre zu teuer, alle diese Kosten dem Militär zuzurechnen."

Für Smital sind es vor allem militärische Gründe, weshalb Länder wie Iran, Vereinigte Arabische Emirate, Türkei und Ägypten überhaupt in den Neubau von Atomkraftwerken investieren. "Für diese Länder wäre Solarenergie günstiger."

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