Kampf gegen Waldbrände Können versteckte Rauchmelder die Brandstifter überführen?
Dieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Wenn ein Wald abbrennt, ist das so gut wie immer auf Menschen zurückzuführen: auf eine weggeworfene Kippe oder eine Grillparty am Waldrand. Solche Fahrlässigkeit ist bei der Hälfte der Feuer die Ursache.
Für Forstamtsleiter Philipp Nahrstedt ist die andere Hälfte der Waldbrände aber beinahe noch schlimmer: Wie hier in einem Waldstück in Brandenburg sind sie vorsätzlich gelegt worden.
Philipp Nahrstedt, Forstamtsleiter
Das macht mich immer wieder sehr traurig, dass wir einfach feststellen müssen, wie oft Menschen bewusst den Wald anstecken wollen. Für mich ergibt sich daraus immer die Frage: Warum tun sie es? Welche Befriedigung haben Sie daraus? Und das tut mir persönlich in der Seele weh, weil der Wald ist das einzige Ökosystem, was wir noch haben, was uns im Klimawandel hilft.
Nie gab es in Deutschland einen so verheerenden Schaden wie in diesem Sommer. 32 große Waldbrände haben bereits eine Fläche von rund 4300 Hektar zerstört. Wenig im Vergleich zu südeuropäischen Ländern. Aber für Deutschland bereits jetzt trauriger Rekord.
In der Gegend um Annaburg im östlichen Sachsen-Anhalt sucht Forstamtsleiter Philipp Nahrstedt nach neuen Wegen, um den Brandstiftern auf die Spur zu kommen.
Philipp Nahrstedt, Forstamtsleiter
Wir befinden uns jetzt hier in einem Gebiet von Annaberg, wo es in diesem Jahr schon acht Mal gebrannt hat. Brandursache: Vorsatz, also Brandstiftung.
Die Brände bleiben zwar relativ klein, gefährlich sind sie trotzdem. Nahrstedt und Kollegen wollen sie schneller als bisher entdecken. Seit Anfang August läuft der Test mit diesen unauffälligen Plastikteilen, die die Waldbrandfrüherkennung verbessern sollen. Sachsen-Anhalt ist einer von wenigen Standorten weltweit, die mit der neuen Technik experimentieren.
Philipp Nahrstedt, Forstamtsleiter
Dieser Sensor riecht Waldbrände. Der wird programmiert sogar, auf den Waldbrandgeruch. Und er kann unterscheiden – nachher auch selbstständig: Ist es ein Waldbrand oder ist es irgendwas anderes? Das heißt, wenn jemand zum Beispiel einen Grill hier in der Nähe anzündet, würde er vielleicht nicht reagieren. Wenn er aber diese Laubstreu sozusagen riecht, dass das brennt, schlägt er Alarm. Und ich kriege dann auf mein Smartphone den entsprechenden Sensor, der mir dann sagt: Okay, ich rieche etwas.
Das drahtlose Netzwerk der Gas-Sensoren meldet sich im Idealfall schon, wenn der Brand noch im Anfangsstadium ist, wenn es also nur am Boden glimmt. Weitere Vorteile der Rauchmelder, die von einer Brandenburger Firma entwickelt wurden: Sie sind rund um die Uhr im Einsatz, laufen mit Solarenergie und sollen bis zu 15 Jahre durchhalten. Allerdings bräuchte es für eine deutschlandweite Flächenüberwachung Zehntausende solcher Sensoren. Zunächst werden wohl Brand-Hotspots wie der in Annaberg damit ausgerüstet.
Einen deutlich größeren Überwachungsradius haben die Graustufen-, Multispektral- und Thermalsensoren, die auf Feuerwachtürmen, Mobilfunkmasten oder hohen Gebäuden montiert sind. Sie erkennen Rauch oder Hitzeentwicklung in einer Entfernung von bis zu 50 Kilometern. Für Forstamtsleiter Philipp Nahrstedt ist diese Technik – neben den Meldungen von Bürgern – das wichtigste Werkzeug in der Waldbrandfrüherkennung. Der 33-Jährige wirbt aber auch dafür, älteres Know-how zu bewahren.
Philipp Nahrstedt, Forstamtsleiter
Man muss konstatieren, dass wir bei dem Thema Waldbrandfrüherkennung, Waldbrandschutz und Waldbrandbekämpfung schon deutlich weiter waren. Zum Beispiel Löschflugzeuge: Das gab es zu DDR-Zeiten schon – in kleinerem Ausmaß, nicht so groß wie in Nordamerika, aber auch die können schnell helfen, insbesondere bei Entstehungsbränden. Und das sollten wir wieder, ich sag jetzt mal, aufleben lassen beziehungsweise intensiver verfolgen.
In der Waldbrandzentrale in Annaberg werten zwei Forstamtsmitarbeiter die Bilder der 15 Überwachungstürme in Sachsen-Anhalt aus. Dabei hilft ihnen seit einigen Monaten eine künstliche Intelligenz, eine lernende Software, die zum Beispiel Rauchwolken erkennen kann, eine Vorauswahl trifft und Falschmeldungen aussortieren soll. Ebenfalls neu ist der Einsatz von Satellitenbildern. Sie können dort helfen, wo die herkömmlichen Sensoren nicht sinnvoll eingesetzt werden können, zum Beispiel, weil Berge die Sicht versperren.
Philipp Nahrstedt, Forstamtsleiter
Das ist einmalig bisher in Deutschland, dass das genutzt wird. Das System zeigt uns vollautomatisch Wärmequellen an. Das heißt, wir haben eben Bereiche definiert, wo er drauf achten soll. Und über 14 LEO-Satelliten, also Low-Orbit-Satelliten, die auf relativ geringer Ebene um die Erde herumschweben und sieben Geo-Satelliten, also die etwas weiter entfernt sind, kriegen wir jede Stunde ungefähr ein Bild. Das heißt auch natürlich, wir haben immer einen Zeitverzug von im schlechtesten Fall einer Stunde bis zwei Stunden, wenn er das nicht erkannt hat, bis wir den Brand entdecken. Es ist aber immer noch besser als, wenn wir gar nichts haben.
Rauchmelder, Sensoren oder Satelliten. Die Technik ändert nichts daran, dass auch der Wald selbst ein anderer werden muss, um Brände einzudämmen. Monokulturen mit Kiefern, die hier in Sachsen-Anhalt und in Brandenburg trotz aller Waldumbaubemühungen immer noch vorherrschen, machen den Brandbekämpfern bei Dürre und Hitze besonders große Sorgen. Denn wegen ihrer ätherischen Öle sind sie leicht entzündlich.
Wenn der Wald erst einmal brennt, kämpft die Feuerwehr mit einer Reihe von Problemen. Sie kann zum Beispiel munitionsbelastete Flächen nicht betreten. Es fehlt ihr an Ausrüstung oder Löschwasser. Das verbrannte Holz lässt sich nicht mehr verwerten. Ein wirtschaftlicher Totalschaden. Forstamtsleiter Philipp Nahrstedt findet aber selbst auf mehrfach abgebrannten Flächen auch hoffnungsvolle Zeichen für das Ökosystem Wald.
Philipp Nahrstedt, Forstamtsleiter
Auch das Feuer 2022 hat die junge Pflanze zerstört. Aber sie sind so gut angepasst, dass zum Beispiel jetzt hier die Traubeneiche von unten wieder auskeimt und also immer noch weiterlebt. Und das zeigt uns, dass auch der Waldbestand hier eine Chance hat, auch nach Feuer. Und so wird sich nach und nach hier ein klimastabiler Mischwald einstellen. Man muss dem Wald nur genügend Zeit geben, dann kann er sich auch selbst regenerieren. Das Einzige, was wir lernen müssen: Dieser Wald wird niemals ein Wirtschaftswald sein, so wie sich ihn die Forstwirtschaft als auch die Holzindustrie wünschen. Das ist ein klimaplastischer Wald, der unter den extremsten Bedingungen aufgewachsen ist. Und der hat eine Zukunft.