Foto: DER SPIEGEL
Veronika Hackenbroch

Elementarteilchen Warum wir Long Covid ernster nehmen müssen

Liebe Leserin, lieber Leser,

kennen Sie jemanden, der an Long Covid leidet? Den Sars-CoV-2 schon seit Monaten völlig aus der Bahn geworfen hat? Einen Menschen, der ständig müde ist, sich nicht mehr konzentrieren kann, der auch körperlich kaum noch leistungsfähig ist, seit er Corona hatte? Gerade musste zum Beispiel die ehemalige Weltklasse-Kanutin Steffi Kriegerstein deswegen ihre Karriere beenden.

Die Autorin und SPIEGEL-Kolumnistin Margarete Stokowski hat es ebenfalls getroffen. Sie schreibt, »dass es im Großen und Ganzen zwei Gruppen gibt: Leute, die selbst Long Covid haben oder jemanden kennen, der es hat, und solche, die die Sache nicht ernst nehmen«.

Leider sehen sich Long-Covid-Patienten selbst von manchen der behandelnden Ärzte immer noch mit Vorurteilen konfrontiert, etwa dass ihre Beschwerden nur eingebildet oder psycho­somatisch seien.

Das könnte bald hoffentlich der Vergangenheit an­gehören. Ein Team um die renommierte Immunologin Akiko Iwasaki von der Yale University in den USA hat in einer Studie auffällige Blutwerte und veränderte Immunzellen bei Long-­Covid-Kranken gefunden. Sollten weitere Untersuchungen die Ergebnisse untermauern, schreibt meine Kollegin Marthe Ruddat, könnten diese Parameter womöglich als sogenannte Biomarker genutzt werden, um eine Long-Covid-Diagnose zu bestätigen – und auch dafür, neue Therapieansätze zu entwickeln.

Immunologin Akiko Iwasaki von der Yale University

Immunologin Akiko Iwasaki von der Yale University

Foto: John Curtis / AP / picture alliance

Die Forscher entdeckten unter anderem eine erhöhte Anzahl erschöpfter Immunzellen bei den Betrof­fenen; sie fanden Hinweise darauf, dass Herpesviren – etwa von einer früheren Erkrankung an Pfeifferschem Drüsenfieber – reaktiviert worden waren. Vor allem aber konnten die Mediziner zeigen, dass Long-Covid-Kranke im Vergleich zu Personen aus den Kontrollgruppen einen deutlich verringerten Spiegel des Stresshormons Cortisol im Blut aufwiesen.

Der zu niedrige Cortisolspiegel könnte zusammen mit anderen Werten in Zukunft möglicherweise als Biomarker dienen. Vielleicht wird die Messung der Cortisolkonzentration es sogar ermöglichen, die Schwere der Erkrankung voraus­zusagen. Experten fordern jetzt Medikamentenstudien, die von einem umfangreichen Biomarkerprogramm begleitet werden müssten. Studienleiterin Iwasaki schrieb auf Twitter: »Wir hoffen, dass diese Daten denen, die immer noch skeptisch sind, helfen zu verstehen, dass Long Covid real ist und eine biologische Basis hat.«

Bitte nehmen Sie Long Covid ernst, und nehmen Sie die ernst, die daran leiden!

Herzlich

Ihre Veronika Hackenbroch

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