Fund in der Uckermark Was ein Tausende Jahre altes Skelett verrät
Ein Frauenskelett, vermutlich mehrere Tausend Jahre alt. Wer ist diese Dame?
Der archäologische Zufallsfund wurde hier in Bietikow in der brandenburgischen Uckermark gemacht - während der Erdarbeiten für die Errichtung einer Windkraftanlage. Das Besondere: Es handelt sich um eine Hockerbestattung, eine der ältesten Formen der Niederlegung.
Philipp Roskoschinski, Grabungsleiter
"Weil man die Hockerbestattung eher jungsteinzeitlich und auch mittelsteinzeitlich im Kontext stellt, ist es erstmal was Besonderes, weil man erstmal annimmt, die ist relativ alt, aber wir müssen schauen durch die C14-Datierung, ob sie denn wirklich so alt ist."
Der Archäologe Philipp Roskoschinski hat die Grabungen geleitet. Was diese besondere Form der Beisetzung, die es von 5000 v Christus bis hinein in die Bronzezeit gab, wirklich bedeutet – darüber rätseln Forscher immer noch.
Philipp Roskoschinski
"Wir haben die Dame vorgefunden auf der rechten Seite wie in einer Schlafposition. Das ist auch eine der möglichen Erklärungen für so eine Hockerstellung, dass man jemanden schlafend bettet zum letzten Schlaf, aber es gibt viele andere mögliche Erklärungen, die reichen von profanen, dass man die Grube nicht so groß machen musste, bis hin zu religiös, dass man so von der Welt geht wie man auf sie kam, in einer Art Säuglingsstellung, also da ist die Bandbreite der möglichen Erklärungen durchaus breit."
Die Anthropologin Bettina Jungklaus ist nun für das Skelett aus der Uckermark zuständig. Sie hat nach der Ausgrabung die Knochen gewaschen, getrocknet – und jeden einzelnen untersucht. Die genaue Datierung sowie weitere Labor-Analysen stehen noch aus. Doch Etwas lässt sich bereits anhand der Knochen erkennen:
Bettina Jungklaus,Anthropologin
"Es ließ sich feststellen, dass die Frau etwa 30 bis -45 Jahre alt war, als sie gestorben ist, das Sterbealter liegt also bei etwa 30-45 Jahren."
Eine genaue Todesursache ließ sich nicht finden – doch der Kiefer erscheint der Expertin aufschlussreich.
Bettina Jungklaus
"Der Kiefer ist vollständig, man sieht, dass die Zähne hier so´n bisschen abgekaut sind. Und der erste bleibende Backenzahn hat einen großen kariösen Defekt. Der ist so groß gewesen, dass Bakterien in den Zahn eindringen konnten in die Wurzel, und hier unten an der Wurzelspitze eine Entzündung verursacht haben, die dann vereitert ist. Das kann durchaus die Todesursache sein, theoretisch."
Wie die Dame gelebthat, darüber werden weitere Laboruntersuchungen Auskunft geben. Außerdem interessant für die Forscher: Die genaue Herkunft der Frau.
Bettina Jungklaus
"Dann wollen wir wissen, ist sie tatsächlich eine Uckermärkerin oder kommt sie von woanders, das kann man auch anhand sogenannten Isotopen untersuchen. Und dann wollen wir noch genetische Untersuchungen machen, um feststellen zu können, stammt sie auch genetisch aus der Region."
Die Uckermark birgt so einige archäologische Sensation. So wurde 2016 in Groß Fredenwalde bereits das sogenannte "älteste Baby der Welt" ausgegraben – das vor 8400 Jahren starb. Zwei Jahre zuvor entdeckte man hier auch eine riesige Bestattungsfläche aus der Mittelsteinzeit. Forscher sprechen vom ältesten Gräberfeld Deutschlands, wenn nicht Mitteleuropas. Unweit davon wurde das Frauenskelett gefunden.
Bettina Jungklaus
"Die Uckermark ist insofern eine ganz besondere Region, weil zum einen haben wir eine recht gute Knochenerhaltung dort. Und es ist auch historisch oder prähistorisch eine sehr interessante Region, weil hier, als die Bauern in die Region kamen, die sind ausgewandert aus Südostanatolien in die Uckermark gewandert und trafen dort noch auf die Jäger und Sammler."
Die Dame aus Bietikow könnte also Nachfahrin der frühen Einwanderer sein, die aus dem bereits weiter entwickelten Südost-Anatolien in den Norden zogen. Dass es eine solche Migrationsbewegung gab, belegen DNA -Analysen: Paläogenetiker haben herausgefunden, dass sich die Jungsteinzeit in Europa erst mit Einwanderern aus der Ägäis verbreiten konnte.
Ob diese Frau vor mehr als 4000 Jahren einem uckermärkischen Jäger begegnet ist, bleibt vorerst offen. Doch die Anthropologin sucht nicht nach sogenannten "Sensationsfunden". Für sie ist das Skelett so oder so interessant.
Bettina Jungklaus
"Für mich ist es unheimlich spannend, Einblick in die Vergangenheit zu bekommen. Es öffnet sich ein Fenster und ich kann in die Vergangenheit schauen und sehen wie haben Menschen früher gelebt. Manche denken vielleicht, ich habe jeden Tag Knochen in der Hand, ob das nicht etwas morbide ist oder so, aber mich interessiert das, was die Knochen mir sagen über ihr Leben. Und wenn es sehr weit zurückreicht in eine Zeit aus der wir keine Schriftquellen haben, dann ist es besonders spannend, weil da kann man ja tatsächlich über die Skelettfunde oder über andere Untersuchungsverfahren Einblick in eine Zeit bekommen, wo wir sonst ja keine Hinweise haben, keine Schriftquellen, keine Bilder oder so – und das ist faszinierend für mich."
Bis zum Jahresende werden die Untersuchungen andauern. Die Grabungen am Fundort sind beendet – hier darf weiter der geplante Windpark gebaut werden– so trifft hier Vorgeschichte auf die Gegenwart.