Spektakuläre Videoaufnahmen, die seit einigen Tagen im Netz viral gehen. Zeigen sollen sie die Subjektive eines unbemannten Sprengboots der ukrainischen Armee bei einem Angriff auf eine russische Fregatte im Schwarzen Meer.
Das ferngesteuerte und wahrscheinlich mit Sprengstoff beladene Boot nähert sich dem Kriegsschiff unter heftigem Beschuss. Diese Aufnahme zeigen augenscheinlich einen Moment kurz vor dem Einschlag. Diese Überwachungskamera soll die darauffolgende Explosion dokumentiert haben. Seitdem wird viel spekuliert über die Art der Boote, die die ukrainische Armee offenbar gegen die russische Marine einsetzt.
Jörg Römer, DER SPIEGEL
»Und zwar wurde schon vor einigen Wochen vor diesem Angriff ein ähnliches Boot angeschwemmt, das dann fotografiert wurde und Bilder davon durchs Netz gingen. Es handelt sich offenbar um eine Art Überwasserdrohne, also ein unbemanntes Schiff, von einigen Metern Länge nur, das mit Kameras und Sensorik ausgestattet ist und ein mit einem Sprengsatz. Solche Boote sind eben ein Novum bisher im Konflikt in der Ukraine. Das hatten wir bisher noch nicht gesehen.«
Auch über die Bauart und den Ursprung kann bisher nur weitgehend spekuliert werden.
Jörg Römer, DER SPIEGEL
»Es ist nicht bekannt, dass diese Art von Boot irgendwo bei irgendeiner Marine im Dienst wäre. Von daher gehen Experten eigentlich davon aus, dass es eine zumindest teilweise improvisierte Aktion ist. Militärexperten halten es durchaus für wahrscheinlich, dass westliche Partner da mit Technik nachgeholfen haben. Aber nach Einschätzung der meisten Experten haben wir es hier nicht mit einer hochtechnischen Entwicklung zu tun, die jahrelang in irgendeinem Militärlabor vorangetrieben wurde.«
Wie viele solcher Boote die Ukraine im Einsatz hat, ist unklar. In diesem Fall sollen sieben bis acht Überwasserdrohnen den Angriff auf das Kriegsschiff zeitgleich mit Drohnen aus der Luft durchgeführt haben. Auch über Schäden durch die Angriffe gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. Angeblich sei das Kriegsschiff Admiral Makarov beschädigt worden oder in Brand geraten.
Jörg Römer, DER SPIEGEL
»Es ist jetzt aber nicht so, nach allem, was wir wissen, dass die jetzt komplett gesunken wäre, sofort. Die haben natürlich das Zeug dazu, zu starken Schäden zu führen, dass die erstmal repariert werden müssen, die Schiffe sind nicht für Kriegseinsätze vorübergehend zu gebrauchen. Solche Angriffe mit Sprengbooten sind im Grunde nichts Neues. Die Deutschen haben ähnliche Boote gebaut im zweiten Weltkrieg, im ersten Weltkrieg. Die Italiener haben mit Sprengbooten britische Schiffe erfolgreich angegriffen. Das sind natürlich keine Drohnenschiffe gewesen, also da sind beispielsweise die Schiffsführer abgesprungen. Selbst vor einigen Jahren in Jemen gab es solche Sprengboote. Die Huthi-Rebellen haben also relativ übliche Speedboote verwendet und mit Sprengsätzen ausgestattet und die auch auf andere Schiffe gejagt. Das ist jetzt eigentlich nichts Neues in der Seekriegsführung.«
Warum die Ukrainer nicht gleich Unterwasserdrohnen benutzen, liegt laut Militärexperten an zwei Gründen.
Jörg Römer, DER SPIEGEL
»Die ukrainische Marine ist im Grunde nicht mehr existent. Es gibt nur wenige kleine Boote. Dementsprechend hat die russische Marine die totale Seehoheit. Das heißt, die Art der Angriffe, die die Ukraine fahren kann, besteht im Grunde in dieser Nadelstichtaktik. Das ist ja auch schon häufiger gelungen. Wir denken an die Versenkung des russischen Flaggschiffs vor einigen Monaten. Im Grunde fehlt der Ukraine schlicht die Technik, um hier auf Augenhöhe zu agieren. Das heißt: Es gibt wahrscheinlich schlicht keine Unterwasserdrohnen, die der Ukraine zur Verfügung stehen, um solche Angriffe zu fahren. Der andere Punkt ist, dass so ein Boot durchaus in bestimmten Situationen unauffälliger sein kann. Und zwar können wir ziemlich sicher davon ausgehen, dass Russland den Meeresboden mit Sensorik versehen hat. Experten gehen davon aus, dass das auf jeden Fall auch im Schwarzen Meer passiert ist und die Russen also ein ziemlich dichtes Überwachungsnetz gelegt haben. Und eine Unterwasserdrohne könnte also durch so eine Technik aufgespürt werden, während so ein relativ unauffälliges Schiff, das ja auch durch eine sehr niedrige Silhouette gekennzeichnet ist, das heißt, man wird es wahrscheinlich sehr, sehr schlecht erkennen, ist eventuell unauffälliger.«
Am Ende könnte der Einsatz dieser relativ simplen Überwasserdrohnen zu einem mitentscheidenden Faktor der militärischen Lage im Schwarzen Meer werden.
Jörg Römer, DER SPIEGEL
»Man sagt eigentlich immer, so ein Kriegsschiff ist am sichersten natürlich im Hafen. Und das gilt jetzt natürlich nach dieser Attacke nicht mehr, weil ausgerechnet im Hafen ist es zu diesem Angriff gekommen. Entsprechend vorsichtig muss die russische Marine vorgehen, eventuell Patrouillenboote einsetzen. Man kann also selbst im weit entfernten Sewastopol nicht mehr so unbedarft sein. Sollte die Ukraine jetzt große Schwärme von diesen Booten zur Verfügung haben und einsetzen, kann das natürlich den Radius der russischen Schiffe sehr empfindlich einschränken. Und man muss sich genau überlegen, wie weit man an die Küste und an die ukrainischen Stellungen heran kann.«