Lange hat die Ukraine um westliche Kampfjets bitten müssen, um sich besser gegen Russland verteidigen zu können. Jetzt hat sich zumindest Joe Biden umentschieden. Der amerikanische Präsident war bisher gegen die Lieferung von US-Flugzeugen. Auf dem G7-Gipfel im japanischen Hiroshima sprach er sich jetzt dafür aus. Für die Ukraine mehr als höchste Zeit.
Jörg Römer, DER SPIEGEL
»Die Ukraine hat mit ihrer Luftwaffe einfach ein Problem. Die Maschinen, die sie haben, stammen überwiegend aus der Sowjetzeit, wie die russischen Maschinen auch. Also, die MiG-29 ist im Einsatz, die Suchoi 27 zum Beispiel. Das heißt, früher oder später kann man davon ausgehen, dass die Ukraine ein Problem bekommen wird, und zwar nicht nur bei der Anzahl der Maschinen, die vielleicht kaputtgehen oder abgeschossen werden sondern auch einfach bei Ersatzteilen und bei der Bestückung mit Waffen, also sprich Bomben. Denn da ist natürlich ein großer Bedarf. Die fliegen jeden Tag Einsätze, die Ukrainer, und irgendwann gehen ihnen die Bomben aus.«
Zwar hat der Westen bereits Munition für Kampfflugzeuge geliefert, wie etwa Anti-Radar-Raketen vom Typ »Harm« oder britische Marschflugkörper mit dem Namen »Storm Shadow«. All diese Waffen wurden jedoch nicht für sowjetische Trägerflugzeuge entwickelt.
Jörg Römer, DER SPIEGEL
»Das konnten die Ukrainer und auch die westlichen Verbündeten durch relativ trickreiche Adapter beispielsweise umgehen, die man entwickelt hat. Also für die »Storm Shadow« hat man beispielsweise letztes Jahr schon in Polen heimlich getüftelt, wie man diese Marschflugkörper unter die MiG-29 bekommen kann.«
In größerem Maßstab ist die Beschaffung passender Munition aber ein Problem, das sich langfristig wohl nur durch die Lieferung westlicher Kampfflugzeuge lösen lässt. Die F-16 ist jetzt im Gespräch, eine einstrahlige Maschine des US-Herstellers Lockheed Martin – wenn auch schon aus Zeiten des Kalten Kriegs.
Jörg Römer, DER SPIEGEL
»Die ist so eine Art Allzweckwaffe, kann man sagen. Relativ leicht umrüstbar, die Niederländer haben welche im Hangar stehen, die Norweger, die Dänen. Und die F-16 ist einfach eine Maschine, die wahnsinnig oft auf der Welt ihre Einsätze fliegt. Entsprechend groß ist sozusagen die Menge, die man zur Verfügung stellen kann, aber auch natürlich die ganze Logistik drumherum, was auch ein Riesenfaktor ist.Aber der wichtigste Faktor ist natürlich die Möglichkeit, mit einer westlichen Kampfmaschine eben auch Nato-Standardmunition verschießen zu können, die eben in großen Mengen vorhanden ist.«
Und dann ist da noch die Frage der Ausbildung. Wie schnell können die ukrainischen Kampfjet-Piloten auf die neuen Systeme umschulen?
Jörg Römer, DER SPIEGEL
»Die Frage ist natürlich am Ende immer: Wie gut will ich die Leute ausbilden, bevor ich sie gewissermaßen ruhigen Gewissens in den Krieg schicken kann? Das haben wir ja bei vielen Waffensystemen in der Ukraine gesehen. Allerdings haben uns die Ukrainer da auch immer wieder überrascht mit ihren Fähigkeiten. Bei den F-16 ist es wohl so, dass da schon Tests gelaufen sind in den USA mit erfahrenen ukrainischen Kampfjetpiloten. Und auch da war das Ergebnis überraschend gut. Die Fähigkeiten sind dann möglicherweise nicht so gut, wie das erfahrene Kampfpiloten im Nato-Verbund tun würden, aber eben ausreichend gut, um mit so einer Maschine erfolgreich zu sein im Einsatz.«
Die Debatte um die Lieferung von Kampfjets erinnert stark an die vergangene Debatte um die Lieferung westlicher Kampfpanzer. Immer verbunden mit der Angst, wie Russland darauf reagieren könnte.
Jörg Römer, DER SPIEGEL
»Man muss natürlich bei Kampfjets auch immer bedenken: Das sind auch keine Wunderwaffen. Gerade die F-16 ist in die Jahre gekommen, die wird nicht DER Game Changer sein, wie keine Waffe bisher DER Game Changer in der Ukraine war. Ein Vorteil wird sicherlich sein, dass die Ukrainer dann in der Lage sein werden, genau wie die Russen, eine Taktik zu fahren, wo man Luft-Boden-Raketen von Kampfflugzeugen aus einsetzt. Wenn man nicht mehr von stationären Waffensystemen Boden-Boden-Raketen abschießt, sondern wenn man aus der Luft sehr flexibel, sehr schnell aus dem Rücken der Front schießen kann.«
Die Erkenntnis scheint sich durchzusetzen: Wer die Ukraine ernsthaft bei der Landesverteidigung unterstützen will, kommt um die Lieferung von Kampfjets am Ende nicht herum.
Jörg Römer, DER SPIEGEL
»Aus militärischer Sicht war dieser Schritt eigentlich unausweichlich. Beziehungsweise das Nachdenken darüber , weil es ist völlig klar, dass die Ukrainer da schon jetzt ein Problem haben, was immer größer wird. Also das ist eigentlich allen Beobachtern schon lange klar geworden, dass man da reagieren muss.«