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AUTOMOBILE Verschlüsselte Sprüche

BMW präsentierte neue Modelle, die fast genauso aussehen wie die alten und die Frage offenlassen: Sind es Fahrautos oder Sparautos?
aus DER SPIEGEL 27/1981

Mit Weißwürsten und Weizenbier feierten deutsche BMW-Händler letzte Woche ihre brandneuen Modelle der Fünferbaureihe, durch die laut BMW »ein neuer, progressiver Geist« auf den Markt gelangt. Selten sah ein neuer Geist so alt aus.

Unbekümmert pries zwar der geschwätzige Mattscheiben-Tünnes von der Wasserkante, Carlo von Tiedemann, den BMW für die Hamburger Premierenparty angeheuert hatte, »eine völlig neugestaltete Karosserie« an. Aber jeder konnte ohne weiteres sehen, was ein Partygast so bewitzelte: »Das neue Münchner Kindl ist ein Schwindl.«

Sogar die Fachleute vermögen nur bei genauerem Hinsehen die Unterschiede zwischen dem bisherigen und dem neuen »Fünfer«-Kleid auszumachen. »Ganz der alte geblieben«, bemerkte die »Auto-Zeitung«, Köln.

Tatsächlich hat BMW kein neues, sondern nur ein stark verfeinertes Auto auf den Markt geschoben. Mit diesem Rezept konnte die Firma gegenüber einer von Grund auf neuen Konstruktion viele Millionen Mark an Entwicklungsaufwand einsparen. Der Nachschub soll den Münchnern helfen, sich im Zentrum ihres Marktes zu stabilisieren.

Rund 139 000 neue Autos hat BMW seinen deutschen Kunden im vergangenen Jahr verkaufen können -- knapp zehn Prozent weniger als im Jahr zuvor. Die Inlandsverluste führt das Werk auf den verstärkten Trend zum sparsamen Kleinwagen zurück, den BMW nicht zu bieten hat. Was BMW feilhält, soll daher stärker als bisher an den Sparsinn appellieren -- und dies tun insbesondere die Nachfolger der 700 000 Fünfer-Typen, die in neun Jahren Bauzeit, seit 1972, gefertigt worden sind.

Das eigentlich Neue dieser mit Grundpreisen zwischen 20 950 und 32 450 Mark befrachteten Autos ist denn auch eher ihr Verkaufskonzept. Es ist der abenteuerliche Versuch, ein flott sprintendes Fahrer-Auto als Sparer-Auto zu vermarkten, ohne es klar zu sagen.

Seltsam verschlüsselt klingen die Spar-Sprüche aus dem Management der Münchner. Um »die Reserven leistungsstarker Automobile auszukosten«, so BMW über die Fünfer-Nachfolger, bedürfe »es mehr denn je einer Notwendigkeit -- das Fahrzeug muß wirtschaftlich sein«.

Und so, als habe just BMW eine Art Billig-Tarif für erlauchte Kundschaft gefunden, sucht BMW seine teuren Fünfer zu verzuckern: »Die Fahrfreude ist trotz gründlich veränderter Umweltbedingungen nicht nur geblieben, sondern sogar noch gesteigert worden.«

»Die denken wohl«, mutmaßt ein Stuttgarter Autotester, »die Ölkrise geht über Nacht vorüber wie die erste, aber das ist irrig. Die Richtung geht woanders hin. Man kann mit so einem Auto nicht sparen.« Vielleicht doch, aber wohl nur mit einer Fahrweise, für die nicht unbedingt ein BMW und sein »Komfort durch mühelos verfügbare Leistungsüberlegenheit« vonnöten wären.

Mit lobenswerter Fleißarbeit haben indes die Münchner Techniker dafür gesorgt, daß die verfeinerten »Fünfer«, vom 90 PS starken »BMW 518« bis zum 184 PS mobilisierenden Spitzentyp »BMW 528i« mit seiner Höchstgeschwindigkeit von 209 km/h, tatsächlich etwas weniger Benzin verbrauchen. Im Durchschnitt beträgt die Ersparnis aller vier Typen immerhin 6,3 Prozent.

Mitverantwortlich für diesen Gewinn ist ein Kosmetik-Job, durch den der Luftwiderstand der Karosse von einem Wert 0,43 auf beachtliche 0,38 verbessert, die BMW-Niere im Grill ein wenig in die Breite gequetscht wurde. Die weiteren Verbesserungen des Autos mit der Quetschniere sind quasi nur mit den Methoden der Urologie in der Tiefe des Leibes zu ergründen: Gewichtsminderungen von 60 bis 90 Kilogramm durch neue Technologie sowie Änderungen an Motoren, Getrieben und Fahrwerken.

Als Gag haben die neuen Modelle innerhalb ihrer reichhaltigen Ausrüstung mit elektronischen Helfern einstweilen als einzige der Welt sogar eine automatische Service-Intervall-Anzeige zu bieten. Sie registriert unter anderem verschleißerhöhende Einflüsse wie etwa häufige Kaltstarts bei Kurzstreckenfahrten und mahnt durch optische Signale den Fahrer, früher einen Service-Stützpunkt anzulaufen, als er dies aufgrund der vorgeschriebenen Scheckheft-Intervalle getan hätte.

Die Münchner Verfeinerer haben sich um ein flottes Auto bemüht, das offenbar von Drängern, Abklemmern, Dichtauffahrern und hartnäckigen Linksfahrern bevorzugt wird.

In der Autobranche wird die markenspezifische Untugend von einem »Daipo-Komplex« genannten Phänomen hergeleitet: Jene BMW-Fahrer, so wird gedeutet, können nicht verwinden, daß ein Daimler-Benz eine höhere Lebensdauer und mehr Geltungsnutzen hat, ein Porsche eine ganze Ecke schneller fährt als ihr BMW.

Die neuen Typen können das alte Leiden nicht lindern.

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