Wale Der Kot des Überlebens

Ausgerechnet einige der größten Tiere der Welt fressen vor allem winziges tierisches Plankton und kleine Fische. Das ist seit langem bekannt. Wie unfassbar groß der Appetit der Bartenwale aber wirklich ist und welche Folgen dieser hat, das haben Forscher jetzt erst herausgefunden. Manche der Säuger fasten Monate lang, aber wenn sie fressen, dann richtig. Sie nehmen dreimal mehr Nahrung zu sich als gedacht; an einzelnen Tagen können sie ein Drittel ihres Körpergewichtes an Nahrung vertilgen. Körpergewicht um ein Drittel mehren. Blauwale, so schreibt der Ökologe Matthew Savoca von der Stanford University in der Fachzeitschrift Nature, vermögen sich täglich sogar 16 Tonnen Krill einzuverleiben. Sind die Vielfraße also dabei, die Weltmeere zu leeren? Nein, ganz im Gegenteil: Nach ihren Fressorgien produzieren die Wale viel mehr Kot, als Wissenschaftler erwartet hatten. Und dieser Kot wirkt auf den oberen Meeresbereich wie Turbodünger, der das Wachstum von Phytoplankton richtig in Schwung bringt. Vom Phytoplankton ernährt sich wiederum das Zooplankton. Je mehr Wale, desto mehr Walkot und desto gesünder das Ökosystem - und andersherum.
321 Wale haben Savoca und seine Kollegen und Kolleginnen zwischen 2010 und 2019 mit GPS-Geräten, Kameras und Beschleunigungsmessern ausgerüstet und auch mit Drohnen eingehend beobachtet. Von der Größe ihrer Mäuler schlossen sie auf die Menge Wasser, die diese täglich mit ihren Barten filtern konnten. Dort, wo sich die Wale labten, untersuchten die Wissenschaftler zudem die Planktondichte im Meereswasser.
Die aufwändige Studie lässt nun erahnen, welche ungeahnten Folgen die industrielle Walfängerei nach sich gezogen hat. Allein im 20. Jahrhundert haben Menschen fast drei Millionen der Meeresgiganten getötet. 90 bis 99 Prozent der Blauwale kamen innerhalb nur 50 bis 60 Jahren um. Zuvor verleibten sich die Bartenwale allein im Südpolarmeer nach Schätzung der Forscher rund 430 Millionen Tonnen Krill pro Jahr ein. Heute liegt dort der Gesamtbestand an den garnelenförmigen Krebstieren bei nur noch der Hälfte. Denn ohne die vielen Tonnen von Walkot ergeht es den Krill-Schwärmen schlecht, die wiederum auch eine Schlüsselrolle im Nahrungsnetz von Fischen, Seevögeln und Robben spielen. Der Verlust der Wale führte daher zum Kollaps ganzer Nahrungsketten und zur Verödung großer Meeresregionen.