10.000 Kilometer pro Stunde Monströser Sturm tobt über fernen Planeten

Spektakuläre Naturgewalt: Auf einem Planeten in 150 Lichtjahre Entfernung wütet ein Sturm mit bis zu 10.000 Kilometern pro Stunde. Ursache ist eine gigantische Hitzewelle.
Exoplanet HD209485b (Illustration): Kohlenmonoxid-Strömungen in der Atmosphäre

Exoplanet HD209485b (Illustration): Kohlenmonoxid-Strömungen in der Atmosphäre

Foto: DDP / ESO / L. Calcada

London - Ziemlich mickrig wirkt der Wind-Rekord auf der Erde im Vergleich zu einem Supersturm, der 150 Lichtjahre von der Erde entfernt tobt: Mit Windgeschwindigkeiten von 5000 bis 10.000 Stundenkilometern wurde er auf dem Exoplaneten namens HD209458b beobachtet. Auf unserem Planeten wütete 1996 der heftigste Sturm aller Zeiten - allerdings mit "nur" 408 Kilometern pro Stunde.

Dabei ist die Kraft eines Sturms von mehr als 400 Kilometern pro Stunde bereits jenseits menschlicher Erfahrung. Solch ein Wind kann Eisenbahnen von den Schienen heben, Hallen wie Gießkannen umherschleudern und Häuser zu Schutt raspeln, bis ihre Fundamente blankgefegt sind.

Was auf dem Exoplaneten HD209458b los ist, entbehrt dagegen wohl jeglicher Vorstellungskraft. Wissenschaftler aus den Niederlanden und den USA entdeckten den Extremsturm zufällig, als sie mit Hilfe des Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (Eso) in Chile die Strömungen von Kohlenmonoxid in der Atmosphäre des Planeten beobachteten.

Doch wie kann es zu einem derartigen Superorkan kommen?

Wie auch bei der Windentstehung auf der Erde seien starke Temperaturunterschiede die Ursache, schreiben die Wissenschaftler um Ignas Snellen von der Universität Leiden und seine Kollegen im Fachjournal "Nature" . Beim Umrunden seines Zentralgestirns zeigt HD209458b immer mit derselben Seite zu dem sonnenähnlichen Stern. Diese wird dadurch stark aufgeheizt, während die andere Seite in ewiger Dunkelheit liegt und entsprechend kühler ist.

Extrasolare Planeten, kurz Exoplaneten, sind Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. Aufgrund der riesigen Entfernungen zur Erde gestaltet sich die Suche nach ihnen schwierig: Oft sind kurzzeitige Veränderungen in der Helligkeit des Zentralgestirns, das sie umkreisen und dabei vorübergehend verdunkeln, der einzige Hinweis auf ihre Existenz. Weitere Daten wie ihre Masse oder ihre Umlaufgeschwindigkeit können in der Regel nur geschätzt beziehungsweise aus der Verdunkelungsdauer abgeleitet werden.

Oberflächentemperatur bis zu tausend Grad Celsius

Der Exoplanet HD209458b befindet sich 150 Lichtjahre von der Erde entfernt in Richtung des Sternbilds Pegasus und braucht 3,5 Tage, um den benachbarten Stern HD209458 zu umkreisen. Seine Masse entspricht rund 60 Prozent der Masse des Jupiters. Allerdings ist der Umfang von HD209458b deutlich größer, da seine Atmosphäre extrem aufgeheizt und dadurch entsprechend aufgebläht ist. Das wiederum liegt an dem geringen Abstand zwischen dem Exoplaneten und seinem Zentralgestirn: Er beträgt nur ein Zwanzigstel der Strecke zwischen Erde und Sonne. Dadurch herrschen auf der Planetenoberfläche Temperaturen bis zu tausend Grad Celsius.

Die Forscher um Snellen nahmen HD209458b fünf Stunden lang genau unter die Lupe - beziehungsweise unter die Linse des CRIRES-Spektrografen des Very Large Telescope, das zum Paranal-Observatorium der Eso in der Atacama-Wüste  im Norden Chiles gehört. Die Abkürzung CRIRES steht für "Cryogenic High-Resolution Infrared Echelle Spectrograph". Dieses Infrarotmessgerät gleicht Unschärfeeffekte der Atmosphäre aus, wodurch die Wissenschaftler nun erstmals präzise beobachten konnten, wie schnell das heiße Gas in Richtung der kühleren Nachtseite des Planeten strömt.

Zudem ermittelten sie den Kohlenstoffgehalt der Planetenatmosphäre: "Es scheint, dass HD209458b ebenso reich an Kohlenstoff ist wie Jupiter und Saturn. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass sie auf die gleiche Weise entstanden sind", sagt Snellen. "In der Zukunft könnten Astronomen diese Beobachtungsart auch nutzen, um die Atmosphären erdähnlicher Planeten zu untersuchen. Auf diese Weise ließen sich Hinweise darauf finden, ob auch anderswo im Universum Leben existiert."

cib/ddp
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