Meteoriteneinschläge auf der Erde Kampf gegen die kosmischen Irrläufer
Hamburg - Die Szenen erinnern an einen Katastrophenfilm made in Hollywood: In der etwa 1500 Kilometer östlich von Moskau gelegenen Region Tscheljabinsk wurden bei dem Meteoritenabsturz am Freitagmorgen massive Schäden angerichtet. Der Meteorit erschien gegen 9 Uhr Ortszeit am Himmel. Im Web verbreitete Clips zeigen einen aus Nordost eintretenden Schweif, der sich Richtung Südwesten über dem wolkenlosen Morgenhimmel erstreckte.
Damit nicht genug. Ein Asteroid ist am Freitag so nah an der Erde vorbeigeschrammt wie kein vorhergesagter Himmelskörper dieser Größe jemals zuvor. Bis auf 27.599 Kilometer näherte sich 2012 DA14 am Abend der Erde. Das ist dichter als viele Satelliten und nur rund ein Fünfzehntel der Entfernung zum Mond.
Beide Fälle zeigen: Die Gefahr kosmischer Kollisionen ist durchaus real. Große Asteroiden kommen der Erde zwar nur sehr selten nahe. Doch auch kleinere Geschosse können eine Gefahr darstellen. Bei der Explosion des Meteors über Tscheljabinsk wurden fast tausend Menschen verletzt, als Scheiben zersplitterten.

Schutz vor Asteroiden: Mammutprojekt fürs kommende Jahrhundert
Blickt man weiter zurück in die Vergangenheit des Planeten, finden sich Spuren von Meteoriteneinschlägen, die globale Katastrophen auslösten. So wird bekanntlich das Ende der Dinosaurier auf den Einschlag eines Asteroiden vor 65 Millionen Jahren zurückgeführt, der zehn Kilometer Durchmesser hatte.
Das Prinzip von Frühwarnung und Abwehr
Wie könnte man solche Katastrophen verhindern? Die Maßnahmen dazu lassen sich in zwei Phasen einteilen: Frühwarnung und Abwehr.
Frühwarnsysteme existieren schon, wobei sie durchaus noch verbessert werden können. Weltraumagenturen wie Nasa und Esa halten mit Teleskopen viele Asteroiden im Blick und berechnen ihre Bahnen weit im Voraus, so dass mögliche Einschlagstermine früh bekannt sind. Doch das ist alles andere als einfach. Objekte, die mehr als einen halben Kilometer groß sind, erspähen die Teleskope noch gut. Doch mit abnehmender Größe wird es immer schwieriger. Gleichzeitig hätte beispielsweise der Einschlag eines Asteroiden von 150 Metern Durchmesser verheerende Folgen.
"Zurzeit ist es die Zielsetzung, alle Objekte mit einer Größe über 150 Metern zu katalogisieren. Die Technik entwickelt sich zwar weiter, aber es ist schwierig, diese Asteroiden zu entdecken. Viele der Objekte sind sehr dunkel", erklärt Michael Khan, Raumfahrtingenieur bei der europäischen Raumfahrtagentur Esa. Selten sind diese kosmischen Geschosse nicht. "Es gibt wahrscheinlich Zehntausende Asteroiden mit einem Durchmesser über 150 Meter, die die Bahn der Erde kreuzen oder kreuzen werden."
Welche Abwehrstrategien existieren? Bisher gibt es hier nur Ideen, die etwa in Projekten wie "NEO-Shield" erarbeitet und verfeinert werden.
Möglich sind zum Beispiel:
Ablenken mit einem "Gravitationstraktor ": Eine Sonde fliegt in die Nähe eines Asteroiden, der noch weit von der Erde entfernt ist. Durch ihre Masse verfügt sie über etwas Anziehungskraft und verändert so nach und nach die Bahn des Asteroiden - so dass er von einem Kollisionskurs abgedrängt wird.
Abdrängen mit einem "kinetischen Impaktor": Hier zieht die Sonde den Asteroiden nicht allmählich an, sondern geht selbst mit ihm auf Crashkurs. Der Aufprall verändert die Bahn des Himmelskörpers. Bei diesem Konzept hat die Nasa schon praktische Erfahrungen gesammelt: Bei der "Deep Impact"-Mission schlug eine Sonde zu Forschungszwecken in den Kometen "Tempel 1" ein. Die Bahn änderte sich dabei allerdings praktisch gar nicht.
"Eine Jahrhundertaufgabe"
Beide Methoden haben einige Nachteile gemeinsam: Funktionieren würden sie nur, wenn sie mehrere Jahre vor dem befürchteten Einschlag in die Wege geleitet werden. Denn beide korrigieren die Bahn des Asteroiden nur minimal. Daher ist eine lange Vorlaufzeit zwingend nötig, damit der Himmelskörper zum Zeitpunkt des Crashs hinreichend abgelenkt wurde.
Doch: Bahnberechnungen sind nicht hundertprozentig genau. Eine Einschlagsprognose für ein Datum in zehn oder 20 Jahren muss sich nicht bewahrheiten. Gleichzeitig birgt die Bahnkorrektur ein Risiko: Denn es ist nicht auszuschließen, dass sie den Asteroiden auf einen viel gefährlicheren Kurs bringt. Eventuell erkauft man sich ein verringertes Risiko zum Preis eines Einschlags 20 oder hundert Jahre später, der sonst niemals passiert wäre.
Es bleibt eine weitere Taktik: das Zertrümmern von Asteroiden durch Sprengsätze. Im Bruce-Willis-Film "Armageddon" passiert das in letzter Sekunde - was in der Realität mit unabwägbaren Risiken verbunden wäre.
Doch Michael Khan von der Esa schlägt eine radikale Lösung vor, um das Problem generell zu lösen: Man könnte alle Asteroiden, die in absehbarer Zeit ein potentielles Risiko darstellen, in viele Einzelteile zerlegen. Diese könnten diese zwar immer noch die Erde treffen, aber die Konsequenzen wären weniger schlimm. Das wäre ein Mammutprojekt, "eine Aufgabe für das kommende Jahrhundert". "Aber ich glaube, dass die Menschheit nicht dauerhaft mit diesem Risiko leben will", meint Khan.
Zuverlässige Missionen zu Asteroiden - bemannt oder unbemannt - wären eine zwingende Voraussetzung. Und: "Wir müssen mehr über das Innere der Asteroiden wissen", sagt Khan.
Ein Ereignis wie das von Tscheljabinsk sei jedoch nie zu verhindern. Der Meteorit war wahrscheinlich relativ klein, nur wenige Meter groß. Und einen Asteroiden von ein paar Dutzend Meter Durchmesser frühzeitig zu entdecken, sei bisher reines Glück.