Anfänge des Universums Licht der ersten Sterne entdeckt
Wir können der Vergangenheit nicht entrinnen. Sie ist ständig um uns herum - man muss nur Augen dafür haben. Was klingt wie eine spirituelle Botschaft, ist für Astrophysiker simple wissenschaftliche Wahrheit. Sie beobachten Licht, dass von längst verflossenen Tagen des Universums erzählt. Zum Beispiel die Mikrowellen der kosmischen Hintergrundstrahlung, die als Beleg für die Urknalltheorie gelten.
400.000 Jahre nach dem Big Bang, als die Ursuppe so weit abgekühlt war, dass sich Protonen und Elektronen zu Wasserstoff vereinigten, konnten die Mikrowellen plötzlich entweichen - und sind bis heute nachweisbar. Die Nasa-Sonde WMAP schoss erst vor wenigen Jahren ein spektakuläres Bild der Hintergrundstrahlung, die das gesamte Universum erfüllt.
Nun glauben amerikanische Wissenschaftler, im Infrarotbereich des Lichts den Schimmer der ersten Sterne aufgespürt zu haben. Das Team um Alexander Kashlinsky vom Goddard Space Flight Center der Nasa hatte mit dem Spitzer Weltraumteleskop einen kleinen Ausschnitt des Sternenhimmels fotografiert und anschließend um alle bekannten Lichtquellen bereinigt - etwa einzelne Sterne oder ganze Galaxien. Übrig blieb ein schwaches Leuchten, dessen Stärke jedoch nicht gleichmäßig über die beobachtete Fläche verteilt war. Die hellen und dunklen Stellen, im Bild oben gelb und rot, zeigen nach Meinung der Forscher die Verteilung der ersten Sterne im All - und die Lücken dazwischen.
Der Zeitraum der Sternbildung, etwa 100 bis 200 Millionen Jahre nach dem Urknall, gilt bislang als "Terra incognita der Astrophysik", wie es Max-Planck-Forscher Torsten Enßlin ausdrückt. Er hält die Beobachtung seiner US-Kollegen für hochinteressant und bedeutend: "Nach den ersten Sternen wird intensiv gefahndet", sagte er SPIEGEL ONLINE. Sie zu sehen und zu verstehen sei eminent wichtig, da diese Sterne die Produktionsstätten der ersten schweren Elemente gewesen seien, von Kohlenstoff bis Eisen.
Strahlung, die das Universum erfüllt
Die ersten Sterne im Kosmos haben sich der gängigen Theorie zufolge vor etwa 13,5 Milliarden Jahren gebildet. Sie sind längst erloschen und dürften etwa hundert Mal so schwer gewesen sein wie unsere Sonne; sie bestanden ausschließlich aus leichten Elementen. Die Ursterne lassen sich zwar mit keinem existierenden oder geplanten Teleskop direkt beobachten, sollten sich jedoch über ihre damals ins All gestrahlte Energie nachweisen lassen. Diese Energie ist Teil der kosmischen Infrarot-Hintergrundstrahlung.
Die angewandte Methode, von einer Aufnahme alle bekannten Lichtquellen abzuziehen, um die Hintergrundstrahlung zu finden, ist laut Enßlin jedoch "immer ein wenig haarig". Wenn man eine Lichtquelle vergesse oder unterschätze, könnten schnell falsche Beobachtungen die Folge sein. "Die Autoren waren sehr vorsichtig", betont der Experte vom Münchner Max-Planck-Institut für Astrophysik, "aber man muss dennoch abwarten, ob ihr Ergebnis auf anderem Wege bestätigt wird."
Die Subtraktionsmethode ist in der Tat äußerst ambitioniert. Sie gleicht dem Versuch, aus einem großen Orchester eine einzelne Violine herauszuhören, die noch dazu besonders leise spielt. Bisherige Versuche, den Schimmer der ersten Sterne aus der Lichterflut des Universums herauszufiltern, waren gescheitert.
Kashlinsky und seine Kollegen sind sich trotzdem relativ sicher, tatsächlich die lange gesuchte erste Sternengeneration aufgespürt zu haben, die auch Population III genannt wird: "Wir können uns kaum vorstellen, dass etwas anderes als Population III das beobachtete Signal erzeugt hat", erklärte der Nasa-Forscher SPIEGEL ONLINE. Bei derartig komplizierten Messungen müsse man jedoch immer auf der Hut sein vor dem Unbekannten.
Es spricht einiges dafür, dass das Team von Kashlinsky tatsächlich richtig gerechnet hat. So wurde das Schwankungsmuster parallel bei vier verschiedenen Wellenlängen ermittelt - statistisch gesehen gab es keine Unterschiede. Auch die Anwendung unterschiedlicher Methoden zum Subtrahieren des Lichts schwacher Galaxien führte nicht zu signifikant anderen Ergebnissen.
Eine Bestätigung der Aufnahmen des Lichts der ersten Sterne könnte neuen Radioteleskopen gelingen, die derzeit in China und den Niederlanden aufgebaut werden. Sie messen die sogenannte 21-Zentimeter-Strahlung, die in der Epoche der Sternenbildung von Wasserstoffatomen emittiert wurde. Dabei sollten ähnliche Fluktuationen beobachtet werden wie jetzt mit dem Spitzer-Teleskop im Infrarotbereich.