Raumfahrt Russisches Raketen-Embargo würde USA hart treffen

Sollte Russland den USA keine Raketentriebwerke mehr liefern, befürchtet das Pentagon Verluste von bis zu fünf Milliarden Dollar. Der US-Senat hat inzwischen den Plan gebilligt, einen eigenen Antrieb zu entwickeln.
Start einer Atlas-V-Rakete mit Militärsatellit an Bord: Liefert Russland bald keine Triebwerke mehr?

Start einer Atlas-V-Rakete mit Militärsatellit an Bord: Liefert Russland bald keine Triebwerke mehr?

Foto: ULA

Zwischen den USA und Russland kracht es dank der Ukraine-Krise heftig - und das belastet nicht nur die politischen, sondern auch die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern. Im Ergebnis könnte das für die USA teuer werden, wie ein Bericht nahelegt, den Experten im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums angefertigt haben. Sollten die Russen ihre Drohung wahrmachen, keine Raketentriebwerke mehr zu exportieren, könnte das für die USA Kosten zwischen zweieinhalb und fünf Milliarden verursachen, heißt es im sogenannten Mitchell-Report.

Anfang April hat die US-Weltraumbehörde Nasa angekündigt, alle gemeinsamen Projekte mit Russland auf Eis zu legen, mit Ausnahme der Internationalen Raumstation. Mitte Mai kam Moskaus Antwort: Der russische Vizepremier Dmitrij Rogosin erklärte, den Amerikanern keine Raketentriebwerke mehr für militärische Satellitenstarts liefern zu wollen.

Und das würde die USA durchaus hart treffen, wie das Expertengremium unter Führung des ehemaligen Luftwaffen-Generalmajors Mitch Mitchell im Auftrag des Pentagon geschrieben hat. In dem Report heißt es, dass insbesondere der Verlust des Triebwerks vom Typ RD-180 "bedeutende Folgen" für das militärische Weltraumprogramm der USA hätte. Die Atlas-V-Rakete, eine der beiden wichtigsten Trägersysteme für amerikanische Militärsatelliten, müsste dadurch am Boden bleiben.

Kosten in Höhe von 2,5 bis 5 Milliarden Dollar

Derzeit sind 38 Atlas-V-Starts geplant, wie mehrere US-Medien unter Berufung auf das Dokument berichteten. Bei einem russischen Exportstopp würde sich im günstigsten Fall neun dieser Missionen um durchschnittlich zwei Jahre verzögern, was Kosten in Höhe von 2,5 Milliarden Dollar verursachen würde. Im schlimmsten Fall wären 31 Starts betroffen, die Kosten würden dann auf fünf Milliarden Dollar (3,7 Milliarden Euro) steigen.

Eine US-Version des RD-180-Motors "würde die Situation nicht verbessern", schreibt das Gremium. Auch könne die Produktion des zweiten großen Satellitenträgers, der Delta-IV-Rakete, nicht kurzfristig gesteigert werden, um den Verlust der Atlas-Raketen zu kompensieren. Die Experten empfehlen der US-Regierung deshalb eine eigene Neuentwicklung: "Unabhängig von der Verfügbarkeit des RD-180 brauchen die USA ein eigenes Triebwerk." Im Haushaltsjahr 2014 müssten "Maßnahmen ergriffen werden, um das aktuelle Risiko zu verringern und zukünftige Optionen zu erhalten."

Allerdings scheint die US-Politik den Empfehlungen des Mitchell-Gremiums zu folgen. Der Senat billigte vergangenen Donnerstag das Vorhaben, ein eigenes Raketentriebwerk zu entwickeln - mit dem erklärten Ziel, die Abhängigkeit von russischen Antrieben zu verringern. Der Etat des Pentagon soll dafür um 100 Millionen Dollar angehoben werden. Das aber wäre wohl nur eine erste Anzahlung. Experten schätzen, dass es rund eine Milliarde Dollar kosten und fünf Jahre dauern würde, ein Triebwerk neu zu entwickeln. Auch der Mitchell-Report fordert die volle Finanzierung eines solchen Programms ab 2016, geht aber davon aus, dass das Triebwerk erst im Jahr 2022 verfügbar wäre.

Der einzige, wenn auch schwache Trost für die USA: Bisher scheinen die Russen ihre Exportstopp-Drohung noch nicht umgesetzt zu haben. Auch Nasa-Chef Frank Bolden schlug im Interview mit SPIEGEL ONLINE zuletzt versöhnliche Töne an: Er habe derzeit "keine Hinweise aus dem Kongress oder der Regierung", dass die Zusammenarbeit mit der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos geändert werden müsse.

mbe/Reuters
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