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"Ariane"-Raketen: 200 Starts, ungewisse Zukunft

Foto: ESA / S. Corvaja

"Ariane"-Rakete Geburtstagskind mit schwieriger Zukunft

Gerade ist die europäische Ariane-Rakete zum 200. Mal ins All gestartet. Doch wie es mit dem Prestigeprojekt weitergeht, steht im wahrsten Sinne des Wortes in den Sternen. Nun soll ein millionenschweres Notprogramm die unmittelbare Zukunft sichern.

Strahlend weiß und hoch wie ein Bürohaus steht sie da. Eine Nachbildung der mächtigen Ariane 5-Rakete grüßt die Besucher gleich am Eingang von Europas mit Stacheldraht und Elektrozäunen gesicherten Weltraumbahnhof Kourou. Dass zum Größenvergleich die türkisfarbene Silhouette eines Menschen neben der Rakete steht, bemerkt man zuerst gar nicht. Der Größenunterschied ist einfach zu massiv.

Über mehr als drei Jahrzehnte haben sich die Ariane-Raketen zur erfolgreichsten Raumtransporter-Serie der Welt gemausert. "Unsere Aufgabe ist es, Europa einen unabhängigen Zugang zum Weltraum zu verschaffen", wirbt Jean-Yves Le Gall, Chef der Betreiberfirma Arianespace. Und die französische Forschungsministerin Valérie Pecresse jubelt: "Die Ariane ist zu einem europäischen Symbol geworden." Das Problem: Die Rakete kommt noch immer nicht ohne öffentliche Zuschüsse aus. Wie es mit dem Programm weitergeht, darum wird derzeit gerungen.

"Wer wettbewerbsfähig bleiben will, muss sich technologisch fortentwickeln", sagt Esa-Chef Jean-Jaques Dordain im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Gleichzeitig gesteht der Behördenchef ein, dass man für die Zukunft der Ariane "noch keine gemeinsame Position gefunden" habe. Hauptakteure des Streits sind Deutschland und Frankreich.

Deutschland macht sich dafür stark, dass zunächst die aktuelle Ariane 5 optimiert wird. Erst wenn das geklärt ist, soll über eine Weiterentwicklung der Rakete entschieden werden: "Wir haben uns verständigt, dass wir die Ariane weiterentwickeln wollen, mit einer neuen Oberstufe. Daran gibt es keinen Zweifel", erklärt DLR-Chef Jan Wörner im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. "Formell muss diese Entscheidung noch getroffen werden", sagt Esa-Generalsekretär Dordain.

In Berlin hofft man darauf, dass die deutschen Standorte des Raumfahrtkonzerns EADS Astrium durch die Ariane 5 ME an Großaufträge kommen. Für den Bau der nötigen neuen Obertstufe der Raketen verfügen sie über wertvolle Kenntnisse. In Paris liebäugelt man dagegen mit einer schnellen Neuentwicklung des Startgeräts - mit einer starken französischen Rolle. "Mit 250 Millionen Euro wollen wir an der Rakete der Zukunft arbeiten", sagt die Ministerin Valérie Pecresse. Das Geld für die Neuentwicklung stammt aus dem französischen Konjunkturprogramm - und soll die schwächelnde Industrie des Landes unterstützen.

Neues Modell könnte kleiner ausfallen

Esa

Geht es nach den Franzosen, dann würde eine neue Ariane - offiziell heißt sie bei der "Next Generation Launcher" - so bald wie möglich auf den Markt kommen. Und sie würde wohl deutlich kleiner ausfallen als die Ariane 5. Wahrscheinlich wäre sie nur in der Lage, pro Start einen Satelliten ins All zu bringen. Das aktuelle Modell ist darauf ausgelegt, zwei Flugkörper gleichzeitig zu transportieren.

Doch bis passende Satelliten gefunden und für einen gemeinsamen Flug zusammengestellt sind, vergeht für den Geschmack mancher kommerzieller Kunden derzeit zu viel Zeit. Kommerziell würde eine kleinere Rakete also möglicherweise durchaus sinnvoll sein. Würde die neue Ariane aber tatsächlich wie von den Franzosen vorgeschlagen abgespeckt, dann wäre sie für Schwergewichte wie den vollgepackten europäischen Raumtransporter möglicherweise zu kraftlos.

Das wollen wiederum die Deutschen nicht akzeptieren. Sie machen sich deswegen dafür stark, erst die "Ariane 5" weiterzuentwickeln - und dann in einer Analyse Zukunftsoptionen für die Rakete zu untersuchen: "Die Ariane 5 wird nach heutiger Abschätzung auch 2025 noch fliegen", hofft DLR-Chef Wörner.

Dabei hatte die aktuelle Raketengeneration einen miserablen Auftakt: Nach nur 37 Sekunden Flug musste das Exemplar auf dem Jungfernflug im Juni 1996 zerstört werden, weil sie vom Kurs abgekommen war. Und doch kam mittlerweile die Hälfte aller Satelliten im Orbit mit Hilfe des europäischen Arbeitstiers in den Weltraum. Insgesamt 800 Tonnen Nutzlast haben Ariane-Transporter bisher ins All gebracht:

  • 230 Telekommunikationssatelliten
  • 12 Erdbeobachtungssatelliten
  • 9 Wettersatelliten
  • 5 Weltraumteleskope
  • 3 Raumsonden
  • 2 Versorgungsraumschiffe für die Internationale Raumstation
  • 1 Kapsel zum Test eines Hitzeschildes

Raumfahrt

Gerade hat die Ariane, für deren Bau der Raumfahrtkonzern EADS Astrium verantwortlich zeichnet, ihren Jubiläumsflug hingelegt. Zum 200. Start musste sich die Rakete besonders mühen. Der Raumtransporter "Johannes Kepler" war mit mehr als 20 Tonnen die schwerste Last, die sie jemals befördert hat. Das Problem: Noch immer braucht die Betreiberfirma Ariancespace, Aktionäre sind neben der französischen Weltraumbehörde CNES zahlreiche -Zulieferfirmen, Zuschüsse aus Europas Staatshaushalten.

Die Gewinne aus dem kommerziellen Satellitengeschäft reichen nicht aus, um den Laden am Laufen zu halten. Um Arianespace im Kampf gegen internationale Konkurrenz, zum Beispiel die russische Proton-Rakete, wettbewerbsfähig zu machen, hatten sich Europas Staaten in der Vergangenheit deswegen auf ein Zuschuss-Mechanismus geeinigt. Dieses EGAS-Programm ("European Guaranteed access to Space") ist aber Ende vergangenen Jahres ausgelaufen.

Maximal 120 Millionen Euro pro Jahr

Um den Nachfolger ist in den vergangenen Wochen hart gekämpft worden. Nach einer Sitzung am Freitag in Paris zeichnet sich nun eine Lösung ab: "Wir haben uns prinzipiell auf ein Programm geeinigt, wie wir das in den kommenden zwei Jahren machen wollen", sagt Wörner. Arianespace soll demnach maximal 120 Millionen Euro pro Jahr erhalten - "nicht als Subevtions-, sondern als Technologieunterstützungsprogramm", wie Wörner erklärt. Dafür müsse das Unternehmen transparenter wirtschaften.

Internationalen Raumstation ISS

Kompliziert wird die Lage dadurch, dass die Esa-Mitgliedstaaten zusammen mit dem Ariane-Zuschuss auch über eine Verlängerung der Lebenszeit der um fünf Jahre entscheiden müssen. Das soll im März endgültig so weit sein. Diskutiert worden war auch eine Änderung der Eignestruktur bei Arianespace. Doch das scheint vorerst vom Tisch. Bei der Esa hofft man stattdessen, mit strengerer Aufsicht die Produktionskosten der Raketen zu senken: "Das einzige wirklich Problem sind die Produktionskosten", sagt Esa-Chef Dordain. Ob sich da tatsächlich etwas tut, muss die Zukunft zeigen.

Noch in diesem Jahr soll die Ariane jedenfalls auf dem europäischen Bahnhof in Kourou zwei kleinere Geschwister bekommen. Ende des Jahres soll die kleine Vega-Rakete ins All abheben. Das unter italienischer Führung entwickelte Startgerät soll rund dreieinhalb Tonnen schwere Lasten ins All befördern können. Und sogar noch vorher soll die russische Sojus-Rakete von einer brandneuen Rampe in Französisch Guayana starten. Der Raumflug-Oldie soll mit einer Nutzlast von sieben Tonnen attraktiv für Kunden sein, denen eine Ariane schlicht zu groß - und damit zu teuer - ist.

Allerdings wäre sie damit auch eine Konkurrenz für einen abgespeckten Ariane-Nachfolger, wie er Frankreich vorschwebt. Die Diskussion um die Zukunft der europäischen Raketen ist also längst noch nicht vorbei.

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