Asteroideneinschläge Jupiter - kosmischer Staubsauger und Beschützer der Erde
Auf die Erde prasselt so einiges aus dem Weltraum ein. Nach Schätzungen sind es täglich 75 Millionen größere und kleinere Brocken - doch weil sie üblicherweise nicht größer als ein Sandkorn sind, hinterlassen sie nicht mehr als eine hübsche Lichtspur am Nachthimmel, wenn sie in der Reibungshitze der uns schützenden Atmosphäre verglühen.
Dass bedrohlich große Asteroiden - wie der vor 65 Millionen Jahren - auf der Erde einschlagen, ist glücklicherweise eher selten. Um eine Katastrophe globalen Ausmaßes auszulösen, muss ein solcher Brocken mindestens einen Kilometer Durchmesser haben. Nach Schätzungen der Astronomen passiert das im Schnitt nur alle 300.000 Jahre.
Woher die Asteroiden stammen, die der Erde gefährlich nahe kommen, ist noch unklar. Aber Fakt ist, dass im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter Hunderttausende Gesteinsbrocken verschiedenster Größe um die Sonne kreisen. Der Zwergplanet Ceres, der ein Viertel der Größe des Erdmondes besitzt, ist das bislang größte entdeckte Objekt im Asteroidengürtel.
Jupiter ist der König des Sonnensystems - ein Gasball, so riesig, dass die Erde mehr als 1000 Mal in ihm Platz fände. Weil seine Schwerkraft so stark ist, fungiert er wie ein gigantischer Staubsauger im Sonnensystem und hält viele der potentiell gefährlichen Brocken von uns fern. So zumindest die gängige Vorstellung.
Jonti Horner von der britischen Open University hat Zweifel daran: "Diese Staubsauger-Idee ist alt und stammt noch aus einer Zeit, als man die Langzeit-Kometen aus der Oortschen Wolke für das einzig signifikante Einschlagsrisiko hielt." In den fünfziger Jahren habe man nur zwei erdnahe Asteroiden gekannt und hielt sie für Kuriositäten. Die Astronomen damals erkannten, dass die Kometen von weit her kamen. Als sie Jupiter passierten, wurden sie von seiner Schwerkraft beeinflusst und in ihrer Bahn abgelenkt - weg von der Erde.
"Die Kometen bekamen von Jupiter einen sanften Stoß", sagt Horner. "Er verhinderte, dass sie immer wieder kamen." Die große Mehrheit der Langzeit-Kometen schaffe es überhaupt nicht, durch das Gravitationsnetz Jupiters zu schlüpfen und habe nur eine sehr geringe Chance, die Erde zu treffen. Seit den fünfziger Jahren aber wurden immer mehr Objekte im Sonnensystem entdeckt, die mit der Erde kollidieren könnten - im Asteroidengürtel, aber auch im Sonnensystem verstreute Asteroiden, die Überreste der Planetenbildung vor 4,6 Milliarden Jahren sind.
"Man weiß nicht, woher die erdnahen Asteroiden stammen"
Nach Ansicht Horners stellen diese beiden Asteroidengruppen - und nicht die Kometen - die größte Bedrohung für die Erde dar. Sie kollidieren zuweilen untereinander und bringen sich so auf andere, unstabile Umlaufbahnen. Und dann, glaubt Horner, kommt Jupiter ins Spiel. Seine Schwerkraft könnte ihnen den entscheidenden und fatalen Schubs geben, der sie auf den tödlichen Kurs zur Erde bringt.
Markus Landgraf hält diese Behauptung für Spekulation. Der Missionsplaner von der Esa hat früher am Johnsons Space Center der Nasa über Asteroiden geforscht. "Man weiß nicht, woher die erdnahen Asteroiden stammen", sagte Landgraf SPIEGEL ONLINE. Im Falle des Dinosaurier-Killer-Asteroiden allerdings vermuten Forscher, dass eine Kollision im Asteroidengürtel vor 160 Millionen Jahren die Ursache war. Ein Brocken von 60 Kilometer Durchmesser knallte mit fast 11.000 Kilometern pro Stunde auf einen anderen Asteroiden von 170 Kilometer Durchmesser - dabei entstanden viele Bruchstücke. Ein zehn Kilometer großes schlug etwa 100 Millionen Jahre später dann auf der Erde ein - und vernichtete die Dinos.
Was Jupiter als möglichen Asteroiden-Werfer angeht, nimmt Landgraf den Gasriesen in Schutz: "Dass Jupiter die Asteroiden auf Erdkurs bringt, ist nicht belegt." Belegt allerdings ist, dass Jupiter die Asteroiden im Asteroidengürtel beeinflusst: Seine Schwerkraft bringt sie zur gegenseitigen Kollision. Dennoch: "Die Kollision der Asteroiden allein reicht nicht aus, um sie auf Erdbahn zu bringen", sagt Landgraf.
So gilt Jupiter mangels Beweisen zunächst weiterhin als Beschützer denn als Bedroher. War er womöglich sogar Bedingung für die Entstehung des Lebens auf der Erde? Astrobiologen finden immer mehr Exoplaneten, die lebensfreundlich sind. Dazu muss sich der Planet in einer sogenannten habitablen Zone befinden, also genau so weit von seinem Stern entfernt sein, dass die Temperaturen auf ihm flüssiges Wasser und damit Leben ermöglichen. Erst vor kurzem entdeckten Wissenschaftler ein weiteres Beispiel für einen solchen Planeten.
Aber reicht das als Bedingung für die Entstehung von Leben aus? Braucht eine zweite Erde nicht auch noch einen kosmischen Staubsauger wie Jupiter, der die permanent umher fliegenden All-Bomben vor dem möglicherweise entstandenen Leben abfängt? Die Meinungen der Astrobiologen darüber gehen auseinander. Denn wenn man sich die Umstände der Entstehung des Lebens auf der Erde ansieht, bleiben Fragen offen - und die Rolle Jupiters dabei wird immer rätselhafter.
Das Leben entstand während des Großen Bombardements
Es gab nämlich eine Zeit in der Frühphase der Erde, in der Jupiter die Erde eine Weile im Stich ließ: Vor 3,8 bis 3,2 Milliarden Jahren stand er und auch sein Nachbar Saturn so, dass ihre Schwerkraft nicht mehr genügend Asteroiden ablenken konnten. Die Folge: Die inneren Planeten des Sonnensystems - und damit auch die Erde - waren einem heftigen Beschuss ausgesetzt. Die Spuren dieses sogenannten "Großen Bombardement", wie es die Wissenschaftler nennen, sind auf der Erde durch geologische Prozesse längst verschwunden. Doch "die Krater auf dem Erdmond sind Zeugnisse des Großen Bombardements", sagt Landgraf.
Rätselhaft ist nun vor allem eines: Ausgerechnet in diese Zeit datieren Biologen die Entstehung des Lebens auf der Erde. Wie konnte es sein, dass ausgerechnet in dieser turbulenten und lebensfeindlichen Zeit Leben auf der Erde entstehen konnte? "Es gibt zwei Möglichkeiten", sagt Landgraf. "Entweder war die Entstehung des Lebens so wahrscheinlich, dass sie trotz des Bombardements stattfand." Dann wäre Leben in dieser frühen Phase also vermutlich mehrfach entstanden und wieder vernichtet worden. "Oder aber", so Landgraf, "das Leben wurde durch das Große Bombardement befördert". Organische Moleküle, die Basis des Lebens, könnte also durch die Asteroiden importiert worden sein.
Wenn letzteres tatsächlich der Fall gewesen sein sollte, war das Leben auf der Erde ein noch größerer Zufall als bislang gedacht - und Jupiter dabei der entscheidende Faktor: indem er genau zum richtigen Zeitpunkt seine Beschützerrolle ablegte und dann wieder einnahm.