Astronomie Plasmawellen heizen Sonnenkorona ein

Wie wird die Atmosphäre der Sonne auf Millionen von Grad aufgeheizt? Forscher wussten das bisher nicht. Nun legen neue Beobachtungen nahe, dass Plasmawellen eine wichtige Rolle spielen. Damit könnte eine These aus dem Jahr 1942 bestätigt werden.
Plasmaschwingungen in der Sonnenatmosphäre: "Erstaunliche Auflösung"

Plasmaschwingungen in der Sonnenatmosphäre: "Erstaunliche Auflösung"

Foto: dapd/ NASA/ SDO/ AIA

London - Es scheint geradezu paradox: Die Oberfläche der Sonne ist mit rund 5500 Grad Celsius deutlich kühler als weiter außen liegende Atmosphärenbereiche. Wie diese trotzdem auf Millionen von Grad aufgeheizt werden, ist Forschern nicht recht klar. Ein internationales Astronomenteam hat jetzt eine neue Erklärung für die Aufheizung der Korona vorgelegt. Genau genommen ist es freilich eine alte - allerdings unterlegt mit neuen, faszinierenden Beobachtungen.

Mit Hilfe des "Solar Dynamics Observatory" (SDO) der US-Raumfahrtbehörde Nasa ist es den Forschern nämlich erstmals gelungen, magnetische Plasmaschwingungen in der Sonnenatmosphäre direkt zu beobachten.

Diese sogenannten Alfvén-Wellen galten bisher als zu flach und energiearm, um die gewaltige Aufheizung der Sonnenatmosphäre zu erklären. Die neuen Beobachtungen scheinen jedoch zu belegen, dass die Wellen doch ausreichend Energie erzeugen, um als Heizung der Korona in Frage zu kommen. Die Wellen breiten sich mit 200 bis 250 Kilometern pro Sekunde aus. Auf der Erde bräuchten sie nur gut 30 Sekunden, um die Strecke von Köln nach New York zurückzulegen.

"SDO hat eine so erstaunliche Auflösung, dass wir sogar einzelne Wellen erkennen konnten. Jetzt wissen wir, dass sie auf jedem Quadratmeter Sonnenoberfläche das Äquivalent einer 100- bis 200-Watt- Glühbirne erzeugen. Das ist genug, um die Sonnenatmosphäre aufzuheizen und den Sonnenwind anzutreiben", sagt Scott McIntosh vom National Center for Atmospheric Research in Boulder (US-Bundesstaat Colorado).

Die von den Plasmaschwingungen erzeugte Energiemenge reiche allerdings nicht, um auch die starken Strahlenausbrüche in den aktiven Regionen der Sonnenkorona zu erklären. Hier seien möglicherweise noch andere Mechanismen beteiligt, schreiben die Forscher im Fachmagazin "Nature" .

Für ihre Studie hatten die Wissenschaftler ein Messgerät genutzt, das alle acht Sekunden ein Bild der gesamten sichtbaren Sonnenscheibe in verschiedenen Wellenlängen des ultravioletten und extrem-ultravioletten Lichts erstellt. Es erreichte dabei eine räumliche Auflösung von rund 870 Kilometern.

Nach Laborexperimenten schon 1942 vorhergesagt

Die Wissenschaftler verglichen die zeitversetzten Aufnahmen miteinander und rekonstruierten die Bewegungen von Plasmasträngen knapp über der Sonnenoberfläche und in der Korona. Es zeigte sich, dass die magnetischen Plasmaschwingungen denen von Alfvén-Wellen entsprachen. Gleichzeitig aber waren diese Wellen deutlich energiereicher als zuvor angenommen.

Nach Ansicht der Forscher ist damit erwiesen, dass die magnetischen Plasmawellen durchaus zur Heizung der Korona beitragen könnten. Noch allerdings seien einige Fragen offen: "Zu wissen, dass es genügend Energie in den Wellen gibt, ist nur eine Hälfte des Problems. Die nächste Frage ist nun, herauszufinden, welcher Teil dieser Energie in Hitze umgewandelt wird. Es könnte alles sein oder nur 20 Prozent - diese Details der Konversion müssen wir nun herausfinden", sagt Vladimir Airapetian vom Goddard Space Flight Center der Nasa in Greenbelt (US-Bundesstaat Maryland).

Die aktuellen Ergebnisse bestätigen eine jahrzehntealte These. Der schwedische Wissenschaftler Hannes Alfvén, Physik-Nobelpreoisträger des Jahres 1970, hatte die Plasmawellen bereits 1942 vorhergesagt. Grundlage waren Laborexperimente. Doch erst im Jahr 2007 konnten Astronomen mit Hilfe der japanischen Sonde "Hinode" beobachten, dass sich magnetische Plasmastränge in der Sonnen-Korona tatsächlich schnell hin und her bewegen wie eine angeschlagene Gitarrensaite.

Nach damaliger Interpretation schienen die Wellen jedoch als Heizung der Korona auszuscheiden. Einige Forschergruppen halten daher eher die kleinräumigen Auf- und Abströmungen des Plasmas für die entscheidende Energiequelle. Die aktuelle Entdeckung bringt nun auch die Alfvén-Wellen wieder ins Rennen.

chs/dapd
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