Computerprobleme Esa-Satellit "Goce" ausgefallen

Weil ein entscheidender Computer streikt, kann der europäische Erdbeobachtungssatellit "Goce" keine Daten sammeln. Es ist nicht das erste Technikproblem an Bord. Nun versuchen die Experten, aus zwei halbdefekten Rechnersystemen ein funktionierendes zu basteln.
"Goce" im All (Computergrafik): "Das bereitet uns große Kopfschmerzen"

"Goce" im All (Computergrafik): "Das bereitet uns große Kopfschmerzen"

Foto: AFP / Esa / Aoes Medialab

Paris - Von wegen Kugel! Die Erde ist eher eine Art Kartoffel - zumindest in den Augen von "Goce". Der europäische Satellit ("Gravity field and steady-state ocean circulation explorer") hat seit vergangenem Frühjahr das Schwerefeld unseres Planeten vermessen - und dabei erstaunliche Unterschiede in bisher ungekannter Präzision festgestellt: An manchen Stellen des Indischen Ozeans liegt der Meeresspiegel zum Beispiel 120 Meter tiefer als normal. Eine erste Karte hatte die Europäische Raumfahrtorganisation Esa in diesem Sommer veröffentlicht.

Doch nun macht "Goce" seinen Erbauern Sorgen. Wegen eines Computerproblems kann er derzeit keine Daten zur Erde senden. "Das bereitet uns große Kopfschmerzen", bestätigt Reiner Rummel vom deutschen "Goce"-Projektbüro im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Von den geplanten 18 Monaten Messzeit seien gerade einmal sieben verstrichen. Deswegen sei der aktuelle Ausfall des Satelliten problematisch - zumal die Forscher auf eine Verdoppelung der Missionszeit auf 36 Monate gehofft hatten.

Immer detailreicher sollten die Schwerefeldkarten der Erde dabei werden. Rund zwei Monate braucht der Satellit für einen kompletten Überflug der Erde. Seine Flugbahn variiert dabei jeweils leicht - je nachdem wie stark er von dem gerade überflogenen Gebiet angezogen wird. Die Unterschiede haben mit der verschiedenen Dichte von Gesteinen und Magma im Inneren der Erde zu tun.

Erster Fehler im Februar

Im Inneren des Satelliten werden sechs jeweils 300 Gramm schwere Gewichte aus einer Platin-Rhodium-Legierung mit Hilfe von elektrischen Feldern in der Schwebe gehalten. Selbst kleinere Schwankungen im Schwerefeld der Erde sorgen dann dafür, dass die einzelnen Testmassen unterschiedlich stark beschleunigt werden. Dabei darf die Temperatur in einzelnen Kammern noch nicht einmal um ein Tausendstel Grad schwanken. Das komplizierte Messgerät funktioniert nach wie vor einwandfrei - der vergleichsweise simple Bordcomputer nicht.

Genau genommen hat "Goce" schon seit einigen Monaten mit Problemen zu kämpfen. Im Februar war bereits der Hauptcomputer ausgefallen - ohne dass die Esa-Experten so recht wussten, woran das lag. Diskutiert wurde unter anderem eine Schädigung des Satelliten durch kosmische Strahlung. Mittlerweile scheint aber festzustehen, dass ein fehlerhafter Chip zu den Problemen geführt hatte. Seit dem Ausfall nutzten die Esa-Experten jedenfalls den Reserve-Prozessor - und nun macht eben auch der Probleme.

Der Kontakt zum Satelliten sei aber nicht abgerissen, darauf legt man bei der Esa Wert. Gesteuert wird "Goce" nach wie vor im Europäischen Satellitenkontrollzentrum Esoc in Darmstadt. Die Experten dort müssen regelmäßig die Ionentriebwerke des pfeilförmigen Satelliten anwerfen. Das liegt daran, dass der auf einer besonders niedrigen Bahn in etwa 260 Kilometern Höhe unterwegs ist - und ohne regelmäßige Korrekturen wegen der Reibung der Restatmosphäre schnell abstürzen würde.

Weil die Sonnenaktivität in den vergangenen Monaten niedrig war, ist eigentlich noch recht viel Xenon-Treibstoff in den Tanks. Gerade habe man den Satelliten auf ein zehn Kilometer höheres Orbit befördert, erklärt Esa-Wissenschaftler Mark Drinkwater im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. "Das gibt uns die Möglichkeit, die nötigen Kommandos zum Satelliten zu schicken und die vorgeschlagenen Änderungen umzusetzen."

Derzeit versucht man bei der Esa, die noch funktionierenden Reste der beiden Bordcomputer zu einem Ganzen zusammenzuflicken. Man befinde sich in einer "schwierigen Situation", heißt es aus der Missionsleitung. Die Lage sei "aber nicht aussichtslos". Irgendwann im September werde man wissen, ob sich der Satellit noch retten lasse.

Mit Material von ddp

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