Durchbruch Satellit erblickt die ersten Momente des Alls
Der Urknall ist das unter Wissenschaftlern beliebteste Konstrukt, um die heutige Gestalt des Universums zu erklären. Doch der prüfende Blick auf die ersten Momente des Alls blieb den Forschern verwehrt - bis jetzt. Mit Hilfe des US-Satelliten WMAP ist es gelungen, das älteste Licht des Universums aufzufangen.

Neues WMAP-Bild der kosmischen Hintergrundstrahlung: Blick auf die ersten Momente von Raum und Zeit
Foto: NASA/ WMAP Science Team"Ich bin selbst erstaunt, dass wir überhaupt etwas über die Geschehnisse in der ersten Billionstelsekunde des Weltraums sagen können", sagte WMAP-Chefwissenschaftler Charles Bennett von der Johns Hopkins University bei einer Pressekonferenz in Baltimore. "Aber wir können es." Niemals zuvor sei es möglich gewesen, "die Kindheit des Universum mit einer solchen Präzision zu verstehen".
Die Messungen von WMAP ("Wilkinson Microwave Anisotropy Probe") liefern den Wissenschaftlern zufolge den bisher besten Beweis, dass am Anfang aller Dinge tatsächlich der Urknall stand - und dass das Universum in den ersten Augenblicken seiner Existenz mit unvorstellbarer Geschwindigkeit gewachsen ist.
Rasantes Wachstum
"Das All hat sich innerhalb einer Billionstelsekunde von der Größe einer Murmel zur Größe des heute beobachtbaren Universums aufgebläht", sagte WMAP-Forscher David Spergel von der Princeton University. Das, fügte Bennett hinzu, sei "ein Wachstumsschub, der jede Mutter und jeden Vater beängstigen würde".
Für Brian Greene von der New Yorker Columbia University stellen die neuen WMAP-Ergebnisse einen enormen Durchbruch dar: "Wir treten in eine wundervolle neue Ära ein", schwärmte der Physiker, der als mathematisches Genie gilt und mehrere Bestseller über die Entstehung des Alls geschrieben hat. Die neuen Ergebnisse zeigten, "woher die Sterne und Galaxien kommen": aus kleinen Unregelmäßigkeiten in Dichte und Temperatur. Sie seien mit dem Universum gewachsen und hätten dafür gesorgt, dass die Galaxien und die leeren Räume zwischen ihnen entstanden seien.
Das neu entdeckte Strahlungsmuster, ein Polarisationssignal im Nachglühen des Urknalls, ist nach Angaben der Wissenschaftler das schwächste jemals aufgezeichnete kosmologische Signal. Es entspricht weniger als einem Hundertstel dessen, was der WMAP-Satellit bei seiner ersten spektakulären Messung der kosmischen Hintergrundstrahlung im Jahr 2003 geliefert hat. Der Satellit kann Temperaturunterschiede von weniger als einem Millionstel Grad feststellen und dadurch auch Fluktuationen im Nachglühen des Urknalls entdecken, der vor immerhin 13,7 Milliarden Jahren stattgefunden hat.
Das Unsichtbare gewogen
Anhand der neuen Daten, die demnächst im "Astrophysical Journal" veröffentlicht werden sollen, konnten die Forscher nicht nur erstmals das Licht des Urknalls von dem der ersten Sterne unterscheiden, die sich den neuen Berechnungen zufolge rund 400 Millionen Jahre nach der Entstehung des Alls gebildet haben. Sie konnten auch die Zusammensetzung des Universums mit bisher ungekannter Genauigkeit bestimmen.
Demnach besteht das Universum zu lediglich vier Prozent aus gewöhnlichen Atomen, die die für Menschen sicht- und messbare Materie ausmachen. 22 Prozent gehen auf das Konto der Dunklen Materie, die bisher noch nie direkt nachgewiesen wurde, aber existieren muss, da sonst etwa die rotierenden Galaxien aufgrund der Fliehkraft auseinanderfliegen müssten.
Die restlichen 74 Prozent des Alls gehen auf die nicht weniger geheimnisvolle Dunkle Energie zurück. Sie wird von Wissenschaftlern dafür verantwortlich gemacht, dass sich das Universum mit stetig wachsender Geschwindigkeit ausdehnt. Die neuen WMAP-Messungen zeigen laut Bennett, dass die Dunkle Energie ähnlich wie die kosmologische Konstante wirkt, die Albert Einstein einst als Gegenkraft zur Gravitation ins Spiel brachte - und später als "größte Eselei seines Lebens" verwarf.
Markus Becker