Entdeckung der Raumsonde "Rosetta" Wieso besteht dieser Komet aus zwei Teilen?

Aufnahmen von Komet "67P/Tschurjumow-Gerassimenko": Zwei in einem
Foto: ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDAEuropas Kometen- und Planetenforscher sind gerade ziemlich aufgeregt. Das hat mit einer Bilderserie zu tun, die es nach dem Willen einiger Wissenschaftler nicht geben sollte. Jedenfalls noch nicht öffentlich. Auf den Fotos zu sehen ist das Ziel der Esa-Raumsonde "Rosetta", der Komet "67P/Tschurjumow-Gerassimenko". Das Besondere an den Aufnahmen: Der eisige Himmelskörper, auf dem "Rosetta" am 11. November den Roboter "Philae" absetzen soll, scheint aus zwei Teilen zu bestehen - und würde damit ganz anders aussehen als bisher vermutet.
Die Landung von "Philae" könnte in diesem Fall noch komplizierter werden als ohnehin schon. Denn bisher hat noch niemand überhaupt solch ein Manöver gewagt - und auf einem Doppelkörper würde es gewiss nicht einfacher werden.
Kometen sind Überbleibsel aus der Frühzeit des Sonnensystems. Seit zehn Jahren ist "Rosetta" nun unterwegs, um einen von ihnen mit ungekannter Präzision zu untersuchen. Die Bilder des "Osiris"-Kamerasystems an Bord, um die es jetzt geht, stammen vom vergangenen Freitag. Sie sind - und das ist wichtig zu verstehen - durch Nachbearbeitung am Computer entstanden. Das liegt daran, dass die Sonde noch immer knapp 10.000 Kilometer von ihrem Ziel entfernt ist. An diesem Mittwochnachmittag sollte sie wieder einmal für 26 Minuten ihre Triebwerke zünden, um den Kometen genau zu erreichen.
Die Kameras an Bord sehen "67P/Tschurjumow-Gerassimenko" noch immer nur als Wolke aus wenigen Pixeln. Mit Hilfe von Algorithmen lassen sich in die Aufnahmen Details hineindeuten, die es so in der Realität tatsächlich gibt - oder eben nicht. Genau das ist die Schwierigkeit mit den aktuellen Bildern. Und deswegen wollten Forscher des "Osiris"-Wissenschaftsteams die Fotos in aller Ruhe auswerten. Dazu kam es nicht, weil die Aufnahmen im Netz landeten. Schuld war die französische Weltraumbehörde CNES.
"Rosetta" ist eine europäische Sonde, an der insgesamt 17 Staaten beteiligt sind. Mit 290 Millionen Euro trägt Deutschland ein knappes Drittel der Gesamtkosten. Die Landeeinheit wird am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln gesteuert, die wissenschaftliche Leitung für die "Osiris"-Kamera liegt beim Max-Planck- Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen. Nun hat CNES die neuen Bilder der Kamera am Dienstag im Alleingang veröffentlicht - ohne sich mit den Partnern abzusprechen. Und die sind nun einigermaßen genervt, wollen sich aber erst am Donnerstag offiziell äußern.
Immer Donnerstags, so sagen die Forscher, würden sie die in aller Ruhe ausgewerteten "Osiris"-Bilder ohnehin veröffentlichen. So soll es auch diesmal sein. Ob das angesichts der ganzen Aufregung ein guter Plan ist, ist eine andere Sache. Die Pressemitteilung der CNES jedenfalls ist wieder aus dem Netz verschwunden.
Ungewisse Form, große Unsicherheit
Hinter der ganzen Aufregung steckt freilich mehr als ein Clash der Eitelkeiten. Gewiss, da ist die Hoffnung der jeweiligen nationalen Raumfahrtinstitutionen, im Glanz des Prestigeprojekts möglichst gut dazustehen. Die beteiligten Wissenschaftler wiederum wollen sich erst im großen, multinationalen Team abstimmen, bevor sie Ergebnisse verkünden.
Es gibt aber auch ein großes öffentliches Interesse an Neuigkeiten von "Rosetta". So hat der deutsche All-Enthusiasten-Club "Raumfahrer Net e.V." einen offenen Brief an die Wissenschaftler geschrieben, in dem er die Echtzeit-Veröffentlichung von Kameradaten der Sonde fordert - und nicht nur gelegentlich "winzige Häppchen": "Eine solche Datenweitergabe ist aus unserer Sicht eine Öffentlichkeitsarbeit aus dem letzten Jahrtausend." Die Esa kontert , bei vielen Raummissionen gebe es eine Wartezeit bis zur vollständigen Veröffentlichung der Daten.
Frühere Aufnahmen hatten bereits gezeigt, dass der Komet sehr unregelmäßig geformt ist. Und wie es jetzt aussieht, ist er eben nicht nur das - er ist zwei in einem. Das ist eine Konstellation, die Wissenschaftler durchaus von Radaraufnahmen anderer kleiner Himmelskörper kennen. Und doch ist sie im Fall von "Rosettas" Ziel eine mittlere Sensation, weil die Nachricht völlig unerwartet kommt - und weil ihre Auswirkungen auf die Mission von "Philae" noch reichlich unklar sind.
Die US-Bloggerin Emily Lakdawalla von der Planetary Society hatte über das geleakte Material berichtet . Anschließend machte es bei Twitter die Runde. Der Kern des Kometen ist demnach vier mal dreieinhalb Kilometer groß - und scheint aus zwei unterschiedlich großen Teilen zusammengesetzt zu sein. Forscher nennen solch eine Konstellation contact binary. Die Teile könnten dadurch entstanden sein, dass der Komet einst auseinandergebrochen ist. Womöglich haben sie aber auch zwei verschiedene Geschichten.
Jeder Tag, mit dem "Rosetta" dem Kometen näher kommt, wird seine tatsächliche Form besser sichtbar machen. Am 6. August soll die Sonde in eine Umlaufbahn um den Himmelskörper einschwenken. Die wird sie nach und nach bis auf zehn Kilometer an die Oberfläche heranbringen. Und währenddessen wird eine Landestelle für "Philae" gesucht. Den kleinen, wackeren Kometenjäger erwartet eine turbulente Zukunft.
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