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"Lisa Pathfinder: Wellenreiten im All

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Esa-Satellit Lisa sucht Einsteins mysteriöse Wellen

Albert Einstein sagte sie einst voraus - und zweifelte selbst daran, ob sich Gravitationswellen jemals finden lassen würden. Tatsächlich ist der Nachweis bis heute nicht geglückt. Nun soll der europäische Satellit "Lisa Pathfinder" helfen.

Seit fast 100 Jahren machen sich die verflixten Dinger rar, dabei sollten sie eigentlich überall um uns herum sein. Im Rahmen seiner Allgemeinen Relativitätstheorie hatte Albert Einstein vorausgesagt, dass sich Änderungen des Gravitationsfeldes - wenn man es so will: "nur" - mit Lichtgeschwindigkeit im Raum ausbreiten. Wenn also Massen bewegt werden - alles vom superschweren Schwarzen Loch bis zum Bobbycar - müssten sogenannte Gravitationswellen entstehen.

Schon Einstein schwante allerdings, dass ihr Effekt ziemlich klein sein dürfte. Man werde Gravitationswellen "wahrscheinlich nie beobachten", schrieb er. Doch dass es die Kräuselungen der Raumzeit tatsächlich gibt, daran hatte der Forscher keine Zweifel. Allerdings hat tatsächlich bisher niemand die geheimnisvollen Wellen direkt aufspüren können, nur indirekte Nachweise gibt es.

Dabei böten Gravitationswellen einen revolutionären Blick auf unsere Welt. Bisher kennen wir unser Universum nur vermittels elektromagnetischer Wellen, also sichtbares Licht, Infrarot- und UV-Strahlung, Radio-, Röntgen- und Gammastrahlung. Gravitationswellen würden einen ganz neuen Zugang liefern.

Eine kleine europäische Raummission soll nun Technologien für den Nachweis im Weltraum testen. Die Sonde "Lisa Pathfinder" reist in diesen Tagen von Deutschland aus zu ihrem Startplatz in Französisch-Guayana.

Zum Abschied hat die Europäische Weltraumorganisation Esa für den Dienstagvormittag zu einem Pressetermin in ein Testzentrum in Ottobrunn bei München geladen. Dort war untersucht worden, ob der von Airbus Defence and Space gebaute Flugkörper auch tatsächlich mit den widrigen Bedingungen im All klarkommt.

Nasa zog sich aus Gemeinschaftsprojekt zurück

Nun geht's erst einmal über den Atlantik. Vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou fliegt "Lisa Pathfinder" dann Ende November mit einer "Vega"-Rakete ins All. Mit jahrelanger Verspätung übrigens, weil sich die Nasa aus einem ursprünglich geplanten Gemeinschaftsprojekt zurückgezogen hatte. Allerdings ist auch jetzt ein US-Experiment mit an Bord.

Der Kontrollraum von "Lisa Pathfinder" im Europäischen Satellitenkontrollzentrum in Darmstadt ist bereits eingerichtet. Der Wissenschaftsbetrieb wird von hier überwacht werden. Er soll - wenn die Sonde einmal an ihrem Einsatzort ist - zunächst 90 Tage dauern.

Gravitationswellen müssten laut Theorie die Abstände zwischen Objekten kurzzeitig verkürzen und verlängern. Mit einem Laser an Bord von "Lisa Pathfinder" hoffen die Forscher, diese minimalen Veränderungen vielleicht registrieren zu können. Der Laser misst den Abstand zwischen zwei Testmassen, knapp fünf Zentimeter große Würfel aus einer Gold-Platin-Legierung, die im Inneren des Satelliten frei in einem Vakuum schweben. Und zwar im Abstand von rund 35 Zentimetern.

Wenn sich der Abstand der Würfel auch nur um Bruchteile eines Millionstel Millimeters verändert, sollte sich das nachweisen lassen. Damit das klappt, muss die Apparatur aber vor allem beim Start besonders geschützt werden - damit die wilden Vibrationen der Rakete sie nicht zerstören.

Start eines Mega-Detektors 2034 geplant

Die Chancen, die einst von Einstein postulierten Kräuselungen der Raumzeit mit dem Esa-Satelliten tatsächlich zu entdecken, sind allerdings nach Einschätzung der Wissenschaftler nicht allzu groß. "Es müsste schon großer Zufall sein", sagt Karsten Danzmann vom Albert-Einstein-Institut Hannover. Denn "Lisa Pathfinder" sei gar kein vollwertiger Gravitationswellendetektor.

Danzmann ist einer der beiden wissenschaftlichen Leiter der Mission. Daran, dass "Lisa Pathfinder" trotzdem sinnvoll ist, gibt es zumindest für ihn keinen Zweifel. "Wir können so unsere grundlegenden physikalischen Modelle testen".

Ein deutlich größerer Detektor soll mit der Mission "eLisa" starten. Drei Satelliten würden dann in Form eines riesigen gleichseitigen Dreiecks im All positioniert werden, das eine Million Kilometer Seitenlänge hat. Zwischen diesen Satelliten müsste die Entfernung wie bei "Lisa Pathfinder" per Laser gemessen werden.

Im Moment plant die Esa mit einem Starttermin im Jahr 2034. Das ist noch sehr lange hin - selbst wenn Danzmann einen Start auch ein paar Jahre früher für möglich hält. Jedenfalls wenn Amerikaner und Chinesen, die beide angeblich großes Interesse an der Mission haben, sich finanziell beteiligen.

Fehlerhafte Erfolgsmeldung vom Südpol

Übrigens wird auch an der Erdoberfläche nach den mysteriösen Wellen gefahndet, etwa mit den "Ligo"-Observatorien in den USA, doch geht es hier vor allem um schwächere Wellen, die bei kleineren Ereignissen mit geringer Reichweite entstanden sind. Im All würden dagegen supermassive Schwarze Löcher untersucht werden, die deutlich stärkere Gravitationswellen produzieren müssten. Und dort sollte der Nachweis der Wellen deutlich einfacher sein als auf unserem Planeten, wo das Gravitationsfeld stört.

Im vergangenen Jahr sah es übrigens schon einmal so aus, als sei der Nachweis von Gravitationswellen geglückt - und zwar nicht mit einem Satelliten. Ein Teleskop am Südpol hatte Signale in der kosmischen Hintergrundstrahlung aufgefangen, die Forscher als Nachhall des Urknalls interpretiert hatten. Gravitationswellen aus einer Zeit vor 13,8 Milliarden Jahren? Die Sache klang nobelpreisverdächtig.

Schnell waren jedoch Zweifel an den Messungen von "Bicep2" aufgekommen - und tatsächlich: Die Forscher hatten sich wohl durch kosmischen Staub täuschen lassen. Das stellte sich durch Daten des europäischen "Planck"-Teleskops heraus.

Kerzen versus Scheinwerfer

Nun könnte mit "Advanced LIGOLigo", dem mit neuen Instrumenten ausgestatteten US-Detektor, der erste Nachweis von Gravitationswellen gelingen. Das glaubt jedenfalls Forscher Danzmann. Spätestens in vier Jahren sollte der Verbund mit der geplanten Empfindlichkeit suchen können - dann müsste sich eigentlich mindestens einmal im Monat eine Gravitationswelle aufspüren lassen, sagt er: "Es wäre überraschend, wenn man dann nichts finden würde."

"eLisa", den Nachfolger der aktuellen Satellitenmission, brauche es aus seiner Sicht aber trotzdem. Es gehe schließlich um ganz unterschiedliche Quellen von Gravitationswellen. "Das ist, wie wenn man Kerzen mit Scheinwerfern vergleicht."

Zusammengefasst: Die Esa-Sonde "Lisa Pathfinder" soll beim Nachweis von Gravitationswellen helfen. Die hat Einstein schon vor mehr als 100 Jahren vorhergesagt, ohne dass sie bisher gefunden worden wären. Auch "Lisa Pathfinder" wird das kaum schaffen. Sie soll aber Techniken für eine spätere Mission ausprobieren, die im Jahr 2034 starten könnte.

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