Satellitenbild der Woche
Der Schatz des Glaziologen
Die Gletscher Grönlands verlieren ihr Eis immer schneller.
Klimaforscher frustrieren solche Erkenntnisse. Manchmal finden sie bei ihrer Arbeit aber auch Schätze, die ihnen Glücksmomente bescheren.
»Verblüffend schöne Bilder«: Satellitenaufnahmen aus dem Osten von Grönland
Foto: NASA Earth Observatory
Der Glaziologe James Lea verbringt viel Zeit vor seinem Computer und wertet Satellitenbilder aus Grönland aus. Ihn und seinen Kollegen Stephen Brough, beide von der University of Liverpool, interessieren vor allem Schmelzwassertümpel, die sich auf dem mächtigen Eisschild bilden. Wenn man die Entwicklung der Gletscher verfolgen will, ist es wichtig zu wissen, wo sich diese kleinen Tauwasserseen bilden.
Es ist eine eintönige und mühsame Arbeit. Doch ab und zu offenbaren die fliegenden Bildmaschinen im All besonders schöne Schnappschüsse – geradezu echte Kunstwerke. »Zurzeit überprüfe ich solche Aufnahmen in mühsamer Handarbeit. Dabei hilft es, wenn man ab und zu auf verblüffend schöne Bilder stößt«, schrieb der Forscher im Oktober nach seinem Fund bei Twitter.
Bild der "Landsat 8"-Daten, bei dem ein Höhenmodell verwendet wurde
Foto: NASA Earth Observatory
Das Bild stamme vom 30. Juli 2019, es wurde in den Abendstunden aufgenommen, als die Sonne tief stand. Die felsigen Berggipfel ragen aus dem Eis und werfen wunderschöne verästelte Schatten. Es wirkt, als hätte ein Künstler wie William Turner, der auf besondere Weise mit dem Licht umgehen konnte, zur blauen Stunde die Schönheit der Natur verewigt.
Das Bild entstand über dem Osten Grönlands und wurde vom Nasa-Satelliten »Landsat 8« gemacht. Es wurde unweit des Gunnbjørns Fjeld aufgenommen, dem mit knapp 3700 Metern höchsten Berg Grönlands. Ein zweites Bild aus den »Landsat 8«-Daten ist fast noch schöner. Dafür wurden die Aufnahme über ein digitales Höhenmodell gezogen, so entsteht ein dreidimensionaler Eindruck.
Glücksfund dank der Nasa
Eigentlich betrachten Lea und Brough die Eisflächen Grönlands überwiegend mit den Modis-Instrumenten (Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer) auf den Nasa-Satelliten »Aqua« und »Terra«, die zweimal täglich Aufnahmen mit einer Auflösung von etwa 250 Metern pro Pixel liefern. Doch ab und zu schauen sie auch auf die »Landsat«-Bilder, denn sie haben mit einer Abbildung von 15 bis 30 Metern pro Pixel eine höhere Auflösung. So können sie erkennen, ob sie wirklich Tümpel gefunden haben oder ob es sich nur um Schatten oder Felsen handelt.
Insgesamt gibt der Zustand der Grönland-Gletscher wenig Anlass zur Freude. In einer Studie berichteten die Forscher kürzlich davon, dass die Schmelztümpel inzwischen in immer höheren Lagen zu finden sind als noch vor wenigen Jahren. Das liege vor allem an den immer wärmeren Lufttemperaturen. In den vergangenen 20 Jahren fanden die Forscher immer mehr solcher Schmelzwasserseen in Grönland. Das Tauwasser fließt ins Meer, wodurch die Ozeanspiegel ansteigen.
Eigentlich ist es ein natürlicher und unproblematischer Prozess, wenn Gletschereis ins Meer fließt – vorausgesetzt, dass gleichzeitig im Inland genug Schnee fällt und die Reserven wieder auffüllt. Dann entsteht ein Kreislauf. Doch der ist auf Grönland offenbar dramatisch gestört. Schuld an solchen Mechanismen ist auch der Klimawandel. Forscher gehen davon aus, dass der Meeresspiegel im Laufe des 21. Jahrhunderts um über einen Meter steigen könnte, wenn die Menschheit weiterhin so viel Treibhausgas wie bislang ausstößt.