Nasa-Chef Bolden über ISS und Ukraine-Krise "Kuschelig ist das falsche Wort"

Erreicht die Ukraine-Krise die Internationale Raumstation? Die Russen drohen, die Amerikaner sollen ihre Astronauten per Trampolin ins All schicken. Und was sagt der Nasa-Chef?
ISS: Wie wichtig ist Politik im All?

ISS: Wie wichtig ist Politik im All?

Foto: AP/ NASA

Noch nie haben Menschen eine teurere Maschine gebaut: Mehr als 100 Milliarden Dollar hat die Internationale Raumstation (ISS) bis heute gekostet, gemeinsam bezahlt von Russen, US-Amerikanern, Europäern, Kanadiern und Japanern. Doch in der Ukraine-Krise drohen dem Außenposten im All Probleme - weil die wichtigsten Partner aneinandergeraten.

Nur bei der ISS darf die Nasa überhaupt noch mit ihren russischen Kollegen von Roskosmos zusammenarbeiten, alle anderen Kooperationen ruhen, auf Druck der US-Regierung. Gleichzeitig lästert der russische Vizepremier Dmitrij Rogosin, die Amerikaner könnten in Zukunft ihre Astronauten mit einem Trampolin zur ISS schicken. Denn selbst kommt die Nasa seit dem Ende der Space-Shuttle-Ära nicht mehr ins All.

Nun bemüht sich Nasa-Chef Charlie Bolden um versöhnliche Töne, auf der Arbeitsebene funktioniere die Zusammenarbeit. Das Projekt ISS dürfe nicht Wirren der Politik zum Opfer fallen, sagt der frühere Astronaut bei einem Besuch in Deutschland. Bolden weiß aus Erfahrung, wie sich die Kooperation mit den Russen anfühlt: Auf seiner letzten Mission war er im Februar 1994 zusammen mit dem Kosmonauten Sergei Krikaljow im Space Shuttle "Discovery" unterwegs.

Zur Person
Foto: HO/ REUTERS

Nasa-Chef Charles Frank Bolden, Jahrgang 1946, flog 1986 erstmals ins All - damals als Pilot der Raumfähre Columbia. Drei weitere Astronauteneinsätze für die Nasa folgten, der letzte 1994. Vor und nach seiner Zeit bei der Raumfahrtbehörde stand Bolden im Dienst der US Marine Corps. 2009 kehrte er zur Nasa zurück. Seit August 2009 leitet er die Behörde.

SPIEGEL ONLINE: Der Ukraine-Konflikt belastet die Beziehungen zwischen den USA und Russland. Wie soll die gemeinsame Arbeit an der Internationalen Raumstation weitergehen?

Bolden: Es gibt keine Spannungen im Führungsteam oder unter den Mitarbeitern des ISS-Programms. Sie existieren auf politischer und diplomatischer Ebene zwischen zwei Staaten. Wir müssen uns darauf konzentrieren, unsere Arbeit zu machen - damit wir, wenn sich die politische Situation klärt, alles am Laufen gehalten haben.

SPIEGEL ONLINE: Raumfahrt - das hatte immer auch mit Politik zu tun.

Bolden: Ja, niemand kann die Politik raushalten. Aber man kann dafür sorgen, dass sie die laufende Arbeit nicht beeinträchtigt. Es gab keine spannungsgeladenere Zeit als den Kalten Krieg. Und auf dem Höhepunkt entschieden die Sowjetunion und die USA: Lasst uns im Weltraum zusammenkommen, lasst uns jeweils ein Raumschiff und das Apollo-Sojus Test Project  starten.

SPIEGEL ONLINE: Im Jahr 2008 war der Georgien-Konflikt schon einmal eine ernsthafte Bedrohung für die Zusammenarbeit mit den Russen bei der ISS.

Bolden: Es gab viele politische und diplomatische Verwerfungen. Aber innerhalb der ISS-Partnerschaft war es, als wäre nichts passiert - weil wir uns darauf konzentrieren, was wir tun.

SPIEGEL ONLINE: Und was genau tun Sie?

Bolden: Wir können die politische oder diplomatische Situation nicht beeinflussen. Aber wir haben Kontrolle darüber, wie unsere Besatzungen trainieren, wie unsere Teams gemeinsam arbeiten. Bei uns in Houston, in der Steuerzentrale, arbeiten Russen mit. Und eine kleine Gruppe Amerikaner ist in Moskau. Diese Leute gehen jeden Tag zur Arbeit, sie leben beieinander, sie essen zusammen. Und das geht weiter - egal, was sonst so passiert.

SPIEGEL ONLINE: Russlands Vizepremier Dmitrij Rogosin hat gespottet, die USA könnten ihre Astronauten statt mit russischen "Sojus"-Kapseln mit einem Trampolin ins All bringen. Die Beziehung, die Sie beschreiben, klingt deutlich kuscheliger.

Bolden: Kuschelig ist das falsche Wort. Die Leute engagieren sich für ihre Mission. Sie wissen, dass ihnen sehr komplizierte Sachen in die Quere kommen können. Aber sie kümmern sich um die Dinge, die sie kontrollieren können.

SPIEGEL ONLINE: Wie oft sprechen Sie mit Oleg Ostapenko, dem Chef der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos?

Bolden: In den letzten zwei Wochen habe ich zwei Mal mit Herrn Ostapenko gesprochen. Das erste Mal hieß es fälschlicherweise in den internationalen Medien, vor allem in Moskau, die Nasa habe die Zusammenarbeit mit Roskosmos komplett abgebrochen. Das war absurd! Also habe ich angerufen, um ihm zu versichern, dass an der Sache nichts dran ist. Es war ein gutes Gespräch, er war froh, das zu hören.

SPIEGEL ONLINE: Und das zweite Mal?

Bolden: Wir haben vor ein paar Tagen gesprochen. Er sagte: Es ist anstrengend, aber lasst uns einfach weiterarbeiten. Und lasst uns in Kontakt bleiben, damit wir jeweils wissen, was los ist.

SPIEGEL ONLINE: Sehen Sie Hinweise darauf, dass die Nasa die Kooperation mit Russland womöglich doch komplett einstellen muss?

Bolden: Derzeit habe ich keine Hinweise aus dem Kongress oder der Regierung, dass ich irgendetwas im Umgang mit Roskosmos anders machen muss.

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