
Private Raumstationen: Hochfliegende Projekte, hoher Preis
Kommerzielle Raumstationen Wettrennen der All-Eroberer
Unsere Erde aus dem All zu sehen, ist ein äußerst exklusives Vergnügen. Mit milliardenteuren staatlichen Raumfahrtprogrammen sind innerhalb eines halben Jahrhunderts gut 500 Menschen in den Weltraum geflogen. Dazu kommen sieben Privatleute, die sich eine Reise zur Internationalen Raumstation jeweils einen zweistelligen Millionenbetrag kosten ließen. Nun arbeitet aber eine ganze Industrie in Russland und den USA daran, den Zugang zum Weltraum zumindest etwas einfacher und weniger teuer zu machen.
Da sind zum Beispiel die Pläne für eine kommerzielle Raumstation, die Russlands Raumfahrtagentur Roskosmos am Montag konkretisiert hat. Man denke an eine "Plattform für wissenschaftliche Experimentalprogramme" erklärte die Behörde. "Nichtprofessionelle" Weltraumreisende sollten in einem Modul in der Umlaufbahn Versuche ihrer Wahl durchführen können. Die Station könnte auch von der Besatzung der Internationalen Raumstation als Zufluchtsort genutzt werden, wenn es dort eine Havarie gibt.
Die Station soll in Zusammenarbeit zwischen dem Raumfahrtkonzern RKK Energija und dem privaten russischen Unternehmen Orbitalnyje technologii entstehen. Die Partner haben bereits eine Absichtserklärung unterschrieben. Doch offenbar bestehen noch Meinungsverschiedenheiten, wie das kommerzielle Heim im All eigentlich genutzt werden soll: Orbitalnyje technologii hatte vor einigen Tagen erklärt, es gehe um den Bau eines Weltraumhotels. Es solle ab dem Jahr 2015 oder 2016 jeweils bis zu sieben Gäste beherbergen. Roskosmos scheint dagegen eher an einer Plattform für die industrielle Forschung interessiert.
Bis die endgültigen Verträge für die Commercial Space Station, kurz CSS, unterschrieben sind, muss diese Frage noch geklärt werden. Bisher hielt sich das Interesse der Industrie für Forschung auf der ISS einigermaßen in Grenzen. Doch vielleicht könnten einfachere Zugangsregeln, kürzere Wartezeiten und geringere Preise in der Tat für einige zusätzliche Interessenten sorgen. Zahlende Hotelgäste dürften freilich einfacher zu finden sein.
Gebaut werden soll die Station vom russischen Weltraumkonzern Energija. Dessen Chef Witali Lopota hat erklärt, die Kapazitäten der Firma seien groß genug, um das Modul herzustellen. Energija fertigt derzeit unter anderem die "Sojus"-Kapseln, die für den Transport zur ISS und zurück genutzt werden - und die nach dem Ende des US-Shuttleprogramms auf dieser Strecke eine Zeit lang das einzig verfügbare Fluggerät für Raumfahrer sein werden.
Nach einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti könnte Energija zusätzlich zu seinen jährlich vier Raumschiffen noch eine fünfte "Sojus"-Kapsel bauen. Mit ihr würden dann jeweils ein Berufskosmonaut und zwei Passagiere reisen können - bei Bedarf eben auch zur CSS. Für eine vollständige Auslastung des fliegenden Außenpostens wäre das allerdings wohl zu wenig.
Module werden zu voller Größe aufgeblasen
Unterdessen gibt es auch in den USA ernsthafte Pläne für eine private Raumstation. Aufzuholen gibt es einiges. Bisher haben die Amerikaner noch keinen einzigen Weltraumtouristen in den Orbit gebracht. Doch der Konzern Bigelow Aerospace arbeitet am sogenannten Orbital Space Complex, der um das Jahr 2015 die ersten Gäste empfangen soll. Die Module werden komprimiert ins All geschickt und dort zur vollen Größe aufgeblasen - so wie man zum Beispiel einen Regenschirm aus der Tasche nimmt und aufspannt.
Rund ein Dutzend Schichten sorgen dafür, dass das Innere der Raumstation von den Widrigkeiten des Alls so weit wie möglich abgeschirmt wird. Das Konzept für diese Technik stammt aus dem Transhab-Programm der Nasa. Der staatlichen Behörde erschien das Vorhaben aber zu teuer - und Bigelow kaufte die Technologie. In den Jahren 2006 und 2007 startete die Firma die Testflugkörper "Genesis 1" und "Genesis 2". Sie zeigten, dass das Prinzip der aufblasbaren Schutzhülle durchaus funktioniert - auch wenn als einzige Weltraumtouristen bisher nur Schaben, Skorpione und Ameisen transportiert wurden.
Wie die zahlende Kundschaft zur Bigelow-Station kommt, ist noch nicht abschließend geklärt. Wahrscheinlich wäre aber der Transport in einer geplanten Kapsel des Luft- und Raumfahrtkonzerns Boeing. Die Firma arbeitet im Auftrag der US-Regierung an einem neuen Transportsystem für Flüge von Astronauten zur ISS. Die Kapsel mit dem Namen "CST-100" ("Crew Space Transportation-100") soll ab dem Jahr 2015 einsatzbereit sein. Bei Flügen zur ISS braucht die Nasa nach derzeitiger Planung vier der sieben in der Kapsel verfügbaren Plätze. Die freien drei Sitze sollen an Weltraumtouristen gehen. Und Bigelow könnte auch komplette Kapseln für den Transport der eigenen Gäste kaufen.
Klar ist: Selbst bei einer Demokratisierung der Raumfahrt dürfte die Reise zu kommerziellen Stationen eine recht teure Angelegenheit bleiben. Bigelow kalkuliert zum Beispiel mit Astronauten-Transportkosten von rund 25 Millionen Euro pro Interessent. Vergleichsweise billig ist da noch ein Flug mit dem Touristenraumschiff "SpaceShipTwo" des US-Unternehmens Virgin Galactic. Da geht es allerdings nur bis an die Grenze des Alls in hundert Kilometer Höhe - und nicht in eine Umlaufbahn um die Erde. Dafür ist das Projekt deutlich weiter fortgeschritten als die hochfliegenden Vorhaben der Konkurrenten.
Am Sonntag absolvierte das "SpaceShipTwo" seinen ersten Solo-Gleitflug - und kam damit dem ersten richtigen Einsatz einen weiteren Schritt näher. Zwei Piloten steuerten das Raumschiff aus knapp 14 Kilometern Höhe zurück zur Erde. Weitere Tests müssen nun vor dem ersten Einsatz noch folgen. "SpaceShipTwo" soll jeweils sechs Passagiere befördern - für rund 144.000 Euro pro Person. Ein Schnäppchen ist die Privatreise ins All also auf keinen Fall.