Umweltkatastrophe im Kongo Die Giftbrühe, die Tod und Verderben brachte

Verfärbung des Tshikapa River auf einem Satellitenbild vom 30. Juli 2021: Diamanten, rote Flüsse und tote Flusspferde
Foto: EU / Copernicus Sentinel Data / EO BrowserDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Ende Juli sah noch alles aus wie immer am Tshikapa River in der Demokratischen Republik Kongo. Der Fluss mäanderte über die gemeinsame Grenze mit Angola, zog dann rund 60 Kilometer Luftlinie Richtung Norden, bis er in der Stadt Tshikapa in den Kasai mündete, den größten Nebenfluss des Kongo.
Doch Anfang August zog plötzlich eine rote Brühe den Fluss hinauf – erst den Tshikapa und dann in den Kasai. Und sie brachte Tod und Verderben: Bald trieben Tonnenweise tote Fische im Fluss, dazu Kadaver von anderen Wassertieren. Sogar Flusspferde sollen umgekommen sein. Die Menschen aus den Dörfern am Fluss litten an Durchfallerkrankungen, nachdem sie das Wasser getrunken oder verseuchten Fisch gegessen hatten. Tausende klagten über Beschwerden, zwölf Todesfälle werden laut dem Umweltministerium der Demokratischen Republik Kongo mit den Vorfällen in Verbindung gebracht.
Wissenschaftler der Universität Kinshasa untersuchten den Vorfall und entdeckten eine enorme Verschmutzung des Flusses – möglicherweise mit Schwermetallen. Sie glauben, dass bis zu zwei Millionen Menschen von der Umweltkatastrophe betroffen sein könnten. »Wir haben noch nie eine so große Verschmutzung des Kongo gesehen«, sagte Raphael Tshimanga, Direktor des Congo Basin Water Resources Research and Capacity Building Center (CRREBaC), der Nachrichtenagentur Reuters.
Doch was war die Ursache für das Sterben am Fluss?


Verfärbung des Tshikapa River nahe der Mine auf einem Satellitenbild vom 30. Juli 2021 (r.). Auf der Aufnahme vom 25. Juli ist der Unterschied deutlich zu erkennen.
Foto: EU / Copernicus Sentinel Data / EO Browser / EU / Copernicus Sentinel Data / EO BrowserSatellitenbilder, die der SPIEGEL geprüft hat, zeigen, dass sich der Tshikapa zwischen dem 25. und dem 30. Juli rot gefärbt haben muss. Zwar ist es auf den Aufnahmen diesig, und die Erdoberfläche, die der Esa-Satellit »Sentinel-2A« abgetastet hat, ist nicht gut zu erkennen. Aber in Tshikapa ist zu sehen, wie auch der Kasai einige Tage später seine Farbe veränderte, nachdem er sich mit dem Tshikapa zu einem gemeinsamen Strom vereint. Unterhalb des Zuflusses hat der Fluss eine andere Farbe, das Wasser ist grün-bläulich gefärbt. Auf etwas älteren Aufnahmen aus der Region ist dagegen kein Farbunterschied bei den beiden Gewässern zu erkennen.

Aufnahme vom 4. August 2021 in der Ortschaft Tshikapa, wo der gleichnamige Fluss mit dem Kasai River zusammenfließt
Foto: EU / Copernicus Sentinel Data / EO BrowserLaut den Forschern liegen die Ursachen für die rötliche Färbung und die Vergiftung des Wassers im Nachbarland Angola, rund 350 Kilometer von der Stadt Tshikapa entfernt. Hier liegt die Catoca-Mine, eine der größten Minen für Rohdiamanten der Welt. Auf den Bildern aus dem All ist sie als riesiger Tagebau in der Nähe der Stadt Saurimo im Nordosten des Landes zu erkennen. Hier wird für die Gewinnung von einem Karat Rohdiamanten rund eine Tonne Abraum bewegt, berichtete die Nasa. Jährlich werden rund 6,8 Millionen Karat aus der Erde geholt, das entspricht ungefähr 360 Kilogramm Diamanten. Offenbar hat ein Leck in einem der Absatzbecken zu dem Umweltschaden geführt, nachdem ein Damm gebrochen war.
Catoca, ein internationales Konsortium aus Angolas staatlicher Bergbaugesellschaft Endiama sowie dem russischen Unternehmen Alrosa und noch weiteren kleineren Teilhabern, hat inzwischen eingeräumt, dass Ende Juli Abraum in den Lova-Fluss, einen Nebenfluss des Tshikapa, der hier auch Chicapa genannt wird, ausgetreten ist. Giftstoffe seien aber nicht ausgetreten. In einem Bericht schreiben die Forscher, dass sie die Verschmutzung bereits seit dem 15. Juli 2021 von der Quelle in Angola aus beobachtet hatten und die Schadstoffe 15 Tage brauchten, um die Stadt Tshikapa zu erreichen.

Catoca-Mine nahe Saurimo in Angola: Eine Tonne Abraum pro Karat
Foto: EU / Copernicus Sentinel Data / EO BrowserTatsächlich ist die Färbung unterhalb des Zuflusses aus den Bildern aus dem All etwas später zu erkennen. Allerdings zeigen auch ältere Aufnahmen immer mal wieder bräunlich bis rötliche Verfärbungen. Ob tatsächlich Giftstoffe wie Arsen oder Quecksilber, die im Bergbau verwendet werden, ausgetreten sind, soll durch Laboruntersuchungen in Kinshasa geklärt werden.
Nach dem Verursacherprinzip
Die Regierung der Demokratischen Republik Kongo hat angekündigt, von den Eigentümern der Diamantenmine eine Entschädigung zu fordern. Nach dem Verursacherprinzip solle derjenige, der die Verschmutzung herbeigeführt hat, die Kosten für deren Eindämmung tragen, sagte Vizepremierministerin Ève Bazaiba auf einer Pressekonferenz, nachdem sie die Region besucht hatte. Wie hoch die Entschädigung ausfallen soll, ist noch nicht bekannt.
Catoca hatte bereits erklärt, man habe Lebensmittel an die betroffenen Gemeinden gespendet. Laut Endiama werde an weiteren Maßnahmen gearbeitet, Einzelheiten nannte das Unternehmen aber nicht. Doch die Forscher aus Kongos Hauptstadt Kinshasa vermuten, dass es damit nicht getan ist. Möglicherweise beschäftigen die Folgen der Katastrophe das Land noch jahrelang. Denn wenn natürliche Wasserreservoire und Grundwasserleiter verschmutzt sind, könnte sich das Gift Jahrzehnte in besorgniserregenden Konzentrationen in der Umwelt halten. Klären können das nur weitere Untersuchungen.

Auf einem anderen Bandbereich der Satellitenaufnahme werden die unterschiedlichen Farben des Tshikapa und des Kasai River deutlicher
Foto: EU / Copernicus Sentinel Data / EO BrowserEs ist nicht das erste Mal, dass durch den Bergbau Mensch und Natur Schaden nehmen. 2015 zerbarst in Brasilien ebenfalls ein Damm einer Eisenerzmine. Giftiger Schlamm gelangte in den Rio Doce und verunreinigte den Fluss mit Blei, Quecksilber und Arsen. Das Wasser des Flusses, das Lebensgrundlage für viele Dörfer in der Region ist, durfte weder getrunken noch zur Bewässerung von Feldern eingesetzt werden. Auch für die Goldgewinnung werden durch Unfälle oder auch mutwillig große Mengen Quecksilber in die Umwelt freigesetzt.
Um solche Unglücke wie das in Angola zu verhindern, arbeiten Umweltschützer, Politiker, Bergbauindustrie und Investoren an gemeinsamen Sicherheits- und Inspektionsstandards. Doch nicht alle Unternehmen unterstützen diese Selbstverpflichtungen. Catoca hat sich bisher nicht dazu bekannt.